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00:00Musik
00:00Kurz nach 0 Uhr an der österreichisch-ungarischen Grenze,
00:27die größte organisierte Massenflucht aus der DDR seit dem Bau der Berliner Mauer beginnt.
00:33Nach Schätzung von Experten sind unter den 10.000 Obdachlosen West-Berlins rund ein Drittel DDR-Bürger.
00:39Im Bundesgebiet schätzt man auf 20 Prozent unter den Obdachlosen.
00:43Der vergebliche Weg ins Glück.
00:45Ja, den vergeblichen Weg ins Glück muss selbst das BRD-Fernsehen gelegentlich zugeben, den Weg in die Irre.
00:54Guten Abend, meine Zuschauerinnen und Zuschauer.
00:56Und dann eben das Eingeständnis im Gegensatz zum tagesüblichen treuherzigen, heuchlerischen und dummdreißen Abstreiten.
01:04Die Fluchthysterie war von langer Hand organisiert.
01:09Ja, ich glaube, die Presse hat da auch Sachen gemacht, die nicht in Ordnung waren.
01:14Wir sind teilweise auf eine Spur gelenkt worden.
01:17Und den Leuten wurde Hoffnung gemacht, was ich für nicht sehr gut halte.
01:21Denn Art und Dauer der Aktion erwecken den Eindruck, dass die Zeitungsmacher mehr ihrer Auflage als den Menschen nützen wollten.
01:30Ein smarter Herr im Westen blättert mit Interesse.
01:33Der stellvertretende Chefredakteur der Bild-Zeitung, Kai Sattelmayr.
01:38Fotos von der Enge und von dem Chaos vor der deutschen Botschaft in Budapest.
01:42Also musste Bild was tun. Am 12. August konkrete Fluchttipps.
01:47Schlagzeile
01:47Ungarischer Offizier, ich lasse alle Deutschen raus.
01:52Die Schlagzeile ungarischer Offizier, ich lasse alle Deutschen raus, hat zu leichtfertigen Fluchtversuchen geführt, die größtenteils missglückten.
02:00Doch Bild blieb Bild.
02:0214. August, der Tag nach der Botschaftsschließung.
02:05Schlagzeile
02:05Nur raus, raus, raus.
02:07Und auf Seite 2, eine neue, reiserische Flüchtlingsgeschichte.
02:12Diesmal eine DDR-Frau als Nutte in Budapest.
02:15Für 200 Mark West, pro Liebesdienst.
02:17Nicht recherchiert und trotzdem gedruckt.
02:22Am nächsten Tag, 15. August, wieder eine Bildbombe.
02:26Unglaublich. Unsere Botschaft warf DDR-Bürger raus.
02:30Jetzt ging der Krach erst richtig los.
02:33Ob Dichtung oder Wahrheit, jedenfalls griff das Massenblatt jetzt direkt.
02:37Ein, mit der Bild-Soforthilfe in Budapest.
02:41Das las ich gigantisch.
02:43Fotos von Schwimmbadbesuchen auf Bildkosten.
02:46Angemieteten Hotelzimmern und Spazierfahrten für DDR-Bürger.
02:53Glaubt man Bild, dann wurden Rotes Kreuz und Malteser Hilfsdienst erst jetzt aktiv und schlossen sich der Initiative des Blattes an.
03:00Zogen also nach.
03:02Beide Organisationen aber dementieren.
03:04Jetzt bringt Bild wieder andere Geschichten.
03:07Etwa über den dramatischen Kampf von Köpke mit dem Schäferhund.
03:11Und nur noch ganz weit hinten, das Bekenntnis der Budapester Bild-Reporter.
03:15Die Tage in Ungarn hätten ihr Leben verändert.
03:18Hoffentlich stimmt wenigstens das.
03:20Teilweise sind sie in der DDR erst losgefahren, nachdem sie im Westfernsehen erfahren hatten, dass die Grenze von Ungarn nach Österreich offen ist.
03:29Fazit erste Erfahrungen im Westen mit Skepsis.
03:32Der Empfang selbst, als wir reingekommen sind in die Bundesrepublik, der war ja optimal.
03:37Also so hatten wir es eigentlich in unseren kühnsten Träumen nicht gedacht, dass das so kommt.
03:42Aber nun ist die Luft auch langsam wieder ein bisschen raus.
03:44In Nürnberg, da war schon nichts mehr.
03:46Da haben wir schon nichts mehr zu essen gekriegt.
03:48Nichts.
03:48Und hier ist das jetzt auch alles ein bisschen hektisch.
03:51Ja, wenn die Presse die Luft da rausnimmt, glaube ich, ist es soweit.
03:54Dann interessiert sich da kaum einer noch für.
03:56Nun, Presse, Funk und Fernsehen.
04:00Die AAD sollte nicht allein die Bildredaktion anschwärzen.
04:04Man hat allesamt Dreck am Stecken.
04:06Allesamt hat man Provokationen organisiert.
04:09Und dieser Art Pressefreiheit rühmt man sich und man empfiehlt sie uns.
04:16Aber da war mal zu Anfang dieses Jahrhunderts in Russland ein Mann namens Miasnikov.
04:20Der forderte Pressefreiheit von den Monarchisten bis zu den Anarchisten einschließlich.
04:25Diesem Miasnikov schrieb Lenin 1912 in einem Brief.
04:32Wie konnten sie von der allgemeinen Klasseneinschätzung, das heißt vom Standpunkt der Wechselbeziehungen aller Klassen,
04:38zu einer sentimental spießerhaften Einschätzung hinabgleiten?
04:42Sie haben sich durch eine gewisse Anzahl trauriger und bitterer Tatsachen beirren lassen
04:47und haben die Fähigkeit verloren, die Kräfte nüchtern einzuschätzen.
04:52Nicht der Säuberung der kommunistischen Partei von einer Reihe ihrer Schwächen, Fehler, Übelstände, Krankheiten
04:59wird die Pressefreiheit dienen.
05:02Denn das will die Weltbourgeoisie nicht.
05:05Die Pressefreiheit wird vielmehr zu einer Waffe in den Händen dieser Weltbourgeoisie werden.
05:10Sie ist nicht tot, sie lebt, sie steht neben uns und lauert.
05:13Sie haben sich von einer Panikstimmung übermannen lassen und sind auf dieser schiefen Ebene so weit hinabgeglitten,
05:21dass es beinahe so aussieht, als wollten sie eine neue Partei gründen oder Selbstmord verüben.
05:27Lenin, Werke, Band 32, Seite 528.
05:32Dann nennt Lenin im Schlussabsatz seines Briefes die Pressefreiheit ein glänzendes Irrlicht,
05:41durch das man sich nicht den Kopf verwirren lassen dürfe.
05:44Ach ja, und mitten in seinem Brief finden wir noch den leninschen Satz,
05:49wir wollen nicht Selbstmord begehen und deshalb werden wir das nicht tun.
05:53Meine Zuschauerinnen und Zuschauer, nachdem nun der Putz langsam runterfällt
05:59und der schönfarbene Lack von den ach so dummen humanitären Erwägungen,
06:05die man im Rheinstadt und in Schöneberg in allen Etagen von Ämtern, Ministerien und Redaktionen
06:11zum Vorwand nimmt für Macht- und Nebelaktionen, für psychologische Verhetzung, für Manipulierung
06:18und, ach ja, wie Genosse Ligatschow gerade sagte, für das ganze System von Verleumdung, Verlockung und Abwerbung,
06:26da wird man einmal bemerkenswert stiller, zum anderen kommt man nicht mehr umher,
06:32die ganze Haltlosigkeit und Skrupellosigkeit einzugestehen,
06:35mit denen man Erwartungshaltungen und Bedürfnisse geweckt hat
06:39und die bundesrepublikanische Realität als Schlaraffenland darstellt.
06:45Es ist, also ich erlebe es auch so in der täglichen Betreuungsarbeit,
06:49dass am Anfang eine sehr große Euphorie da ist
06:51und ich muss leider auch erleben, dass Depressionen halt auch in übermäßigen Konsum
06:57oder Alkoholgenuss dann sich ausschlagen.
07:01Das heißt, mit der Dauer des Aufenthaltes nehmen im Prinzip dann halt auch die Probleme zu.
07:07Eine Betreuungsarbeit kann da zwar entgegenwirken, aber die Frustration im Prinzip nicht auffangen
07:12und ich muss auch feststellen, dass so die Erwartungshaltungen im Prinzip doch immer mehr geschmälert werden
07:21und dass man sich die Sache etwas besser vorgestellt hat.
07:24Das heißt, so ein übersteigertes Erwartungsbild und dann halt doch ziemlich große Frustrationen
07:30von der bundesrepublikanischen Realität.
07:33Seit vier Jahren ist Mirko in West-Berlin, pendelt zwischen Gelegenheitsjobs, Wohnungssuche und seiner Clique am Zoo.
07:42Der Traum einer Umschulung erfüllt sich nicht.
07:47Aufgewachsen ist Mirko in der DDR.
07:49Was geschieht, wenn Mirko keine Wohnung findet?
07:53Oh, da würde ich gar nicht hindenken oder hinschauen, weil dann sieht es ja böse aus.
07:59Er ist jetzt auf dem Weg nach unten, ist schon am Zoo angelangt und wird dort auch bleiben.
08:10Wahrscheinlich mit kurzen Unterbrechungen in die Haftanstalt oder vielleicht Krankenhauseinweisungen.
08:19Ja, und wird dort wahrscheinlich zugrunde gehen.
08:26Aber die anfängliche Euphorie weicht bald der Ernüchterung.
08:29Viele der Neuen finden zwar rasch einen Job, aber für wie lange?
08:33Zahlreiche früher Gekommene sind arbeitslos.
08:35Es gibt zu wenig Lehrer und Kindergartenplätze.
08:38Es fehlt an dringend benötigten Wohnungen.
08:40Und oft werden die Neuen von den Bundesbürgern mit Neid und Argwohn betrachtet,
08:44weil sie weniger Ansprüche haben und angeblich bevorzugt werden.
08:48Die Integration ist nicht leicht, so positiv die Vorzeichen sein mögen.
08:53Von Unternehmern werden sie schon in den Lagern umworben.
08:57Facharbeiter der Metall-, Elektro-, Bauberufe, auch des Gastronomiegewerbes und des Pflegepersonals.
09:04Die DDR-Flüchtlinge füllen die Facharbeiterlücke hierzulande.
09:08Schwieriger zu integrieren, die Gruppe der Akademiker und der kaufmännischen Berufe
09:13Qualifikationshilfe tut Not.
09:16Ein weiteres Problem der Menschen, die Wohnungssuche auf dem ohnehin überlasteten Wohnungsmarkt der Bundesrepublik.
09:23Kurzfristig ist trotz deutlich belebter Neubautätigkeit keine Entlastung zu erwarten.
09:29Schwierigkeiten sind vorhersehbar, trotz spontaner Hilfsbereitschaft vieler Bundesbürger.
09:34Die Übersiedler kommen in ein für sie unbekanntes Gesellschaftssystem.
09:39Sie werden euphorisch in Österreich und Passau empfangen.
09:41Sie werden enttäuscht, wenn sie in den endgültigen Wohnheim kommen, weil die Euphorie dort nicht mehr vorhanden ist.
09:48Unsere Bevölkerung nimmt sie nicht mehr so offen auf.
09:51Man bangt um Arbeitsplätze, man bangt um Wohnungsplätze.
09:54Es hat ziemlichen Unmut gegeben, wird bevorzugte Wohnungsvergabe für Übersiedler.
09:59Obwohl die durchschnittliche Verwahldauer in einem Flüchtlingswohnheim zwei bis drei Jahre ist,
10:04bis überhaupt eine offizielle Wohnungszuweisung stattfinden kann.
10:07Die ersten Tage in Gießen, ausgefüllt durch die Anmeldeformalitäten.
10:13Wenig Zeit für die Gedanken an jene, die man zurückgelassen hat, Freunde, Verwandte.
10:20Lagerleben und draußen lauern auch die, die sich von den neuen Bundesbürgern das gute Geschäft versprechen.
10:26Es werden die windigsten Verträge ab.
10:32Man schätzt ihnen Lebensversicherungen auf, Hausratversicherungen, obwohl sie noch keine Wohnungen haben.
10:38Bei der Autoversicherung stuft man sie mit 180 Prozent ein, obwohl es reell durchhandelt.
10:44Bis auf 60 Prozent runtergehandelt werden kann, weil sie an der DDR schon jahrelang unfallfrei gefahren sind.
10:50Man bietet ihnen Möbel an, wenn die eigene Wohnung kommt, zu total überhöhten Preisen.
10:57Und die Unwissenheit wird vielfach bewusst ausgenutzt.
11:02Ja, ich glaube, das Wichtigste war, dass wir für unsere Kinder keine Zukunft mehr sahen.
11:07Das ist eine Leistungsgesellschaft, die natürlich nach meiner Erfahrung auch bestimmte Verhaltensweisen mit sich bringt.
11:14Also ein Zusammenhalt, wie ich ihn aus der DDR kenne, der Leute untereinander zum Beispiel, existiert hier nicht so in dem Sinne.
11:19Auch bestimmte soziale Beziehungen sind eben anders.
11:23Und ich musste auch die Erfahrung machen, was es eben heißt, selbst an einem Leib zu verspüren,
11:28dass man eben Existenzangst haben kann, wenn man Leute sieht, die am Rande dieser Gesellschaft leben.
11:32Auch es ist nicht einfach, im Vergleich zum Beispiel zur DDR, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren,
11:39da doch die Familienpolitik einiges zu wünschen überschließt.
11:41Das sind neben vielen positiven Dingen natürlich auch die Kehrseite.
11:44Ich glaube, es ist eine ganz große Gefahr, die übersteht.
11:47Und zwar orientieren sich sehr viele DDR-Bürger an dem, was in den westlichen Werbungssendungen oder im Fernsehen überhaupt läuft und gezeigt wird.
11:53Orientieren sich an dem, was in Illustrierten geschrieben wird, was in Presseerzeugnissen überhaupt auch illegal in die DDR gelangt.
12:00Das ist eine ganz große Gefahr. Was könntet ihr da auszählen?
12:03Also ich habe es vorhin schon angedeutet, die Sache mit der Familie, mit der familiären Versorgung.
12:09Also es ist zum Beispiel so, dass, ja, in unserer Familie musste einer den Beruf aufgeben, weil eben keine Versorgung für Schulkinder stattfindet.
12:16Das ist nicht mein, das ist also so für mich eigentlich unerklärbar, dass ein reiches und hochtechnisiertes Land wie die BRD es nicht fertig bringt,
12:24ein Schulessen für die Kinder, so was Simples zu organisieren und auch eine Nachmittagsbetreuung.
12:28Oder, dass auch eben für kleine Kinder kaum Möglichkeiten existieren. Da muss man also sehr viel Abstriche machen.
12:35Und da sagt einer, ein Vater, der mit Kind und Kegel davon gelaufen ist, Kinder hätten in der sozialistischen, deutschen demokratischen Republik keine Zukunft.
12:46Aber in der BRD, so wird eingestanden, so konnten sie es eben hören, muss man Existenzangst haben, räumt sogar das Westfernsehen ein.
12:56Und Beruf und Familie gehen nicht zusammen, weil es nicht genug Schulplätze und viel zu wenig Hort- und Kindergartenplätze gibt.
13:03Also muss die Mutter zu Hause bleiben und kann nicht mitarbeiten. Sie ist übrigens Ärztin.
13:09Und hat nicht gerade der Vorsitzende des Kinderhilfswerks, der sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete Wilhelm Schmidt,
13:16auf einer Pressekonferenz in schöner Offenheit erklärt, wie BRD-Gesellschaft in der Hunderttausende von Kindergartenplätzen fehlen, sei kinderfeindlich.
13:26Und Arbeit für Vater und Mutter und erschwingliche Wohnungen für Familien mit Kindern gehörten doch zu den grundlegenden Voraussetzungen einer kinderfreundlichen Politik.
13:37Aber Kinder würden höchstens noch als Berechnungsgrundlage für künftige Rentenfinanzierungspläne ins Kalkül gezogen.
13:47Endstation Oeringen. Ein malerisches Städtchen.
13:51Hier packen Thüringer und Sachsen ihre Koffer aus. Sie wissen, was sie wollen.
13:55Bei den Einheimischen macht sich Unruhe breit. Viele fürchten die Neuankömmlinge als Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt und bei der Wohnungssuche.
14:03Aber das ist eben ein beengter Raum und die müssen da wirklich leben in diesen Hotelzimmern als Familie, mit Kindern zum Teil in einem Zimmer, ein Ehepaar.
14:15Wenn die Schularbeiten machen wollen, müssen die sich diesen kleinen Tisch da teilen.
14:18Da gibt es dann schon Probleme. Von außen sieht es goldig aus und von innen sieht es ganz anders aus.
14:26Untersteinbach im Oeringer Hinterland. Hier sind 20 Übersiedler im Dorfgasthof einquartiert.
14:32Für die Untersteinbacher ist die DDR weit weg. Auf die Übersiedler war man hier nicht vorbereitet.
14:38Interessieren sich die Menschen hier für die DDR?
14:41Sehr wenig.
14:42Habe ich festgestellt. Viele wissen gar nicht, dass es Erfurt gibt.
14:46Also das ist manchmal rätselhaft.
14:48Aber die interessieren sich nicht so sehr dafür.
14:51Wir haben uns da, als wir noch in der DDR waren, mehr für hier interessiert.
14:55Ich finde es nur schade, weil sie ja jetzt, der Bundeskanzler Kohl, immer sagt, die DDR-Bürger dürfen kommen oder sollen kommen.
15:03Bloß eine Wohnung hat er nicht gedacht, die er zur Verfügung stellen müsste.
15:06Auch an die Einheimischen, die haben es ja genauso schwer wie wir.
15:09Und ich glaube schon, dass sie manchmal sauer sind, wenn DDR-Bürger eine Wohnung kriegen und sie selber keine.
15:15Die Zahl der Sozialhilfeempfänger steigt ständig.
15:18Nach vorläufigen Berechnungen des Statistischen Landesamtes waren im letzten Jahr 3,3 Millionen Menschen in der Bundesrepublik auf die Hilfe des Sozialamts angewiesen.
15:276,4 Prozent mehr als 1987.
15:31Das ist ein außerordentlicher Segen für die Bundesrepublik, die mit dem Empfang ihrer Brüder von einem Tag auf den anderen
15:37nicht nur sehr qualifizierte, sondern auch opferbereite und von großer Konsumlust besessene junge Menschen gewinnt.
15:44Sie haben deutlich gemacht, dass es auf dem Wohnungsmarkt keine Bevorzugung von Aus- und Übersiedlern geben soll.
15:50Wie wollen Sie das eigentlich in der Praxis bewerkstelligen?
15:53Wie wollen Sie den Konflikt, der darin ja liegt, eigentlich verhindern?
15:56Wir haben ja schon insofern dies deutlich gemacht, dass wir bei der Auflage des Sozialen Wohnungsbauprogramms für das Jahr 1990
16:04kein eigenes Aussiedler-Wohnungsbauprogramm mehr machen, so wie das in diesem Jahr der Fall war,
16:09sondern dass wir im sozialen Wohnungsbau eine Gleichbehandlung aller Deutschen mit beinhalten.
16:17Und Gleiches werden wir auch bei allen anderen Maßnahmen machen.
16:20Die Übersiedler sind ein Teil unserer Bevölkerung, der die Engpässe eben noch verstärkt.
16:27Wer wird Ihnen künftig Sekt stiften, damit die Korken knallen?
16:35Wer wird die, ach ja, große Konsumlust bezahlen in einem Staat, in dem es nichts gibt, was nicht teurer wird?
16:43Und der Bundestag, eben noch Obhüter und Wohltäter aller Deutschen, die heim ins Reich wollen,
16:49dieses Plenum debattierte am Donnerstag in erster Lesung ein Gesetz zur Neuregelung der finanziellen Hilfen für Aus- und Übersiedler.
16:58Die sollen nicht einmal Arbeitslosengeld bekommen, sondern nur eine sogenannte Eingliederungshilfe.
17:07Das ist weniger als das erhoffte Minimum.
17:10Und so das freiheitliche Parlament im Bonner Sozialstaat,
17:14man will auf diese Weise jährlich 430 Millionen D-Mark einsparen an den lieben Brüdern und Schwestern und deren Kindern.
17:23Und so werden auch andere Erfahrungen gesammelt werden, zum Beispiel, dass Kranke in diesem Staat Stiefkinder sind
17:31und dass es nichts gibt, was nicht Geld kostet, viel Geld, das erst einmal erarbeitet sein will.
17:38Nun, Ernüchterung, Kater und kalte Füße sind unausbleiblich.
17:42Aber was schert jene kapitalistische Gesellschaft und ihre Regierung der Mensch?
17:47Was scheren sie die Menschen, die man nach eigener Aussage, wie wir hörten, auf einen vergeblichen Weg ins Glück gelockt hat?
17:57Nicht nur Verführte lassen in erster falscher Vorfreude Korken knallen aus Sektglaschen, die die Bild-Zeitung spendiert hat.
18:05Ehrlich dürfte man Korken knallen lassen in Redaktionen und Regierungsämtern bei Diensten aller Art
18:12und gewiss auch in Übersee bei CIA und Mr. Bush.
18:15Da glaubt man nämlich, Grund für Freudenfeste zu haben.
18:21Denn es handelt sich bei dieser groß angelegten Provokation zu unserem 40. Jahrestag
18:26um einen Bestandteil des imperialistischen Kreuzzugs gegen den Sozialismus insgesamt.
18:33In einem Krieg, in dem kein Schuss abgefeuert wird.
18:36Nur Reformen sollen wir durchführen.
18:39Mit welcher Hinterabsicht und was für Reformen?
18:43Doch das würde es bedeuten. DDR minus Sozialismus.
18:48Die Opposition, die hin und wieder kleine Revolutionen macht und Aufstände und Demonstrationen, hat ja keinen Anhang.
18:56Und der größte Teil derjenigen, die dagegen sind oder die nicht zufrieden sind, sind ausgereist.
19:04Die DDR-Opposition hat keinen Kopf und hat auch keine großen Mengen hinter sich.
19:09Der Alltag in Ostberlin geht auch an diesem Montag seinen sozialistischen Gang.
19:14Schließlich sind die Flüchtlinge nur ein Bruchteil der Bevölkerung.
19:18Obwohl die Ereignisse überall Gesprächsstoff Nummer eins sind, zeigen sich die meisten Ostberliner gelassen.
19:24Dies ist ja nicht die erste Krise des Arbeiter- und Bauernstaates.
19:27So ist es. Der Kommunismus ist schon zu Marx-Zeiten.
19:31Der Sozialismus unter Bismarck.
19:33Die Sowjetunion bei ihrer Gründung und unserer Republik in den ersten drei Monaten ihrer Existenz totgesagt worden.
19:40Von Hitler will ich gar nicht erst reden und Goebbels.
19:43Nun werden wir 40. 40 Jahre alt.
19:47Und welche Niederlage für die, die einst mit klingendem Spiel durchs Brandenburger Tor marschieren, die Ostzone befreien wollten,
19:54den Wendepunkt in der Geschichte Europas mit der Gründung unserer Republik hinnehmen mussten.
20:01Und die mit all ihren Kassandra-Rufen, Boykotts, Erpressungsversuchen, militärischer Bedrohung und Propagandakampagnen immer wieder gescheitert sind.
20:10Schauen Sie, wir Kommunisten haben stets zu ändern, stets zu verbessern, stets neue Bedingungen zu berücksichtigen.
20:18Niemand ist uns gegenüber kritischer als wir selbst.
20:23Aber wir haben nichts zu bereuen und schon gar nicht Rechenschaft abzulegen vor den Feinden des Sozialismus.
20:28Die stecken selbst bis zum Hals in ihren sozialen Gebrechen.
20:31Wir sind nicht starr und sehen nichts als ein für alle Mal abgeschlossen.
20:36Es ist das Leben, das immer wieder neue Fragen stellt.
20:41Aber bei der Beantwortung dieser Fragen sind Feinde des Sozialismus inkompetent und denkbar ungeeignet als Ratgeber.
20:48DDR ohne Sozialismus, das könnte einigen Leuten so passen.
20:54Der Alltag gehe in Ostberlin seinen sozialistischen Gang, muss Herr Brüsao seiner Meinungsfirma berichten.
21:01Ein freier Journalist, der es sonst mit Anstand und Wahrheit in seinem Gastland nicht gerade genau nimmt.
21:08Wir sind voller Gelassenheit, zeigen geradezu erstaunliche Zurückhaltung, die drüben nicht missgedeutet werden sollte.
21:16Und wir schreiten unbeirrbar vorwärts, ohne Lärm zu schlagen.
21:21Der sozialistische deutsche Staat lässt sich nicht verführen, von seinem Friedenskurs und seiner Politik für das Glück des Menschen abzulassen.
21:28Irgendwann wird auch zwischen Elbeweser und Rhein von der Isar bis zur Alster wieder Vernunft einkehren.
21:36Einige unbelehrbare Schreihälse allerdings wird es wohl immer geben.
21:40Bloß, warum müssen die gerade solche Berufe wie Politiker oder Journalist ausüben?
21:48Guten Abend.