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Transkript
00:00Guten Abend, meine Damen und Herren.
00:29Guten Abend und ein gutes neues Jahr.
00:33Gut für den Einzelnen, gut für alle Menschen, gut für unser Volk, für unsere deutsche Heimat, die wir zerrissen sehen und die wir einig, geeint, befriedet wünschen.
00:47Hinter uns liegen turbulente Tage, feierliche und weniger feierliche.
00:50Und die Berichtsperiode meiner Sendung erstreckt sich heute über 15 Tage.
00:57Deshalb gleich ohne Zeitverlust, kopfüber, hinein in den schwarzen Kanal.
01:03Die in Ostberlin erscheinende satirische Wochenzeitung Eulenspiegel bringt in ihrer Weihnachtsausgabe eine Karikatur.
01:10Sie zeigt einen halb weihnachtlich, halb karnevalistisch aufgemachten Weihnachtsumzug unter Konfetti, Lametta, Verkaufsreklamen und amerikanischen Flaggen.
01:19An einer Straßenecke steht Jesus in seiner Leidensgestalt.
01:23Die Unterschrift lautet, sie feiern doch nicht etwa meinen Geburtstag.
01:28Diese Karikatur enthält ganz gewiss eine, wenn auch bittere Wahrheit.
01:32Sie weist auf Missstände hin, gegen die die Kirche seit langem anzukämpfen sucht.
01:36Aber es muss den Leser doch höchst seltsam berühren, dass ausgerechnet ein von Kommunisten redigiertes und der kommunistischen Propaganda dienendes Presseorgan auf diese Weise gegen die Verfälschung des Christfestes Stellung nimmt.
01:48Die Absicht ist deutlich.
01:50Offenbar will der Eulenspiegel seinen Ostberliner Lesern, speziell den Christen, weismachen, nur im Westen werde Weihnachten seinem eigentlichen Sinn entfremdet.
01:58Nun, es ist nicht abzustreiten, dass die Jagd nach einem möglichst großen geschäftlichen Umsatz die Weihnachtsreklame im Westen zu den fragwürdigsten Geschmacklosigkeiten verführt.
02:07Aber ist es im Osten etwa besser?
02:10Ich meine ja, meine Damen und Herren.
02:13Besser einmal, weil im Osten nicht wie im Westen nur zu Weihnachten vom Frieden auf Erden gesprochen wird, sondern sämtliche 365 Tage des Jahres.
02:23Und nicht nur gesprochen, sondern wir tun noch etwas für den Frieden auf Erden.
02:27Das heißt für uns und bei uns sind Weihnachtsbaum und Kerzen und weihnachtliche Stimmung keine Feigenblätter für Strauß, Glopke und so hübsche Raketen,
02:38sondern für uns ist die Weihnachtsbotschaft Auftrag und Programm.
02:44Zum anderen ist hier bei uns, meine Damen und Herren, undenkbar, undenkbar, sage ich, was Sie jetzt sehen und hören werden.
02:51Dass nämlich aufrechte Persönlichkeiten als Friedensapostel lächerlich gemacht, als lebensfremde, weltenferne Idealisten, die nicht wissen, was sie tun, diskreditiert werden sollen.
03:06Das blieb am zweiten Weihnachtsfeiertag dem Schwarzen Kanal des westdeutschen Fernsehens vorbehalten.
03:11Es gibt heute eine ganze Reihe von Männern, Christen und Nichtchristen, die ihre geistige Kraft, ihr Ansehen und ihre Weltgeltung dafür einsetzen, dass Friede auf der Welt werde.
03:23Zu diesen Friedensaposteln im besten Sinne des Wortes gehörte Albert Einstein.
03:27Dazu gehören Albert Schweitzer und Nils Bohr, dazu gehören aber auch Männer wie der englische Philosoph Bertrand Russell,
03:41den sie hier bei einer Protestkundgebung vor dem Verteidigungsministerium in London sehen.
03:49Und noch viele andere solche Namen ließen sich nennen.
03:53Was allen diesen Männern gemeinsam ist, das ist ihr radikaler Enthusiasmus, die Absolutheit ihrer Forderung.
04:01Was ihnen aber eben darum auch allen fehlt, das ist die politische Momenteinstellung ihrer Ideen.
04:07Da hängt der Friede dann gar zu leicht wie ein fernes, fremdes Ideal am Himmel und wir wissen nicht so recht, wie wir es hier auf unsere Erde herabziehen sollen und hier soll doch Friede werden.
04:18Wir können ja die Verflochtenheit der politischen Situation, in der wir leben, nicht einfach wie einen Knoten durchhauen.
04:27Wir können nicht einfach die Struktur dieser Welt und die Natur der Menschen, die Natur von uns selbst, meine Damen und Herren, einfach schwärmerisch überfliegen.
04:38Wer das tut, droht um vielleicht eines utopischen Fernzieles Willen, das nächste politisch Erreichbare zu versäumen und die Welt womöglich in eine noch größere Unordnung zu stürzen.
04:52Doch, ja.
05:22Diese Drecklinie gibt es, wenn sie auch weiß Gott nichts mit dem Frieden zu tun hat, sondern mit dem genauen Gegenteil.
05:31Sie verläuft, nun sagen wir, westlich des Brandenburger Tors und westlich von Marienborn von Helmstedt und übt auf gewisse Leute eine unüberwindliche Anziehungskraft auf.
05:43Diese Drecklinie, von der am ersten Feiertag folgende fromme Weihnachtspredigt ertönte.
05:49Denn die Kommunisten sind wie die Geier.
05:54Sie richten überall Verwüstungen unter den Völkern an, die sie versklavten.
05:59Und dieses Unheil hat sich schon in die Geschichte vieler vergewaltigter Nationen eingeschrieben.
06:08Diktatur und Bestechlichkeit, Schmutz, Elend und verwüstete Städte.
06:14Und dann das Schlimmste von allem, kleine Kinder, Bettler und Waisen, freudlos und ungeliebt.
06:21Und dieser liebenswürdige, gebildete Herr mit der gepflegten Umgangssprache nennt sich Kardinal und Militärbischof.
06:31Spellmann heißt er und ist eine besondere Ziertel des Abendlandes.
06:35Er reist viel und sieht und hört viel und anscheinend ist ihm davon in seiner Erinnerung ein bisschen durcheinander geraten.
06:42Die amerikanischen Verwüstungen von Hiroshima und Nagasaki, das waren natürlich die Kommunisten.
06:48Die korrupten USA-hörigen Regierungen in Südvietnam und Südkorea, die Kommunisten.
06:55Die versklavten und vergewaltigten Algerier, nicht etwa die französischen Imperialisten, nein die Kommunisten.
07:00Diktatoren in Madrid, Lissabon oder Formosa, die bösen Kommunisten.
07:05Schmutz und Elend in der portugiesischen Kolonie Angola oder im New Yorker Negerviertel, Rassenhass in den Vereinigten Staaten.
07:14Herr, das alles kennt dieser geistliche Herr und nun kommt er zu Weihnachten nach West-Berlin und will es den Kommunisten in die Schuhe schieben.
07:22Das Gebot, kein falsches Zeugnis wieder seinen Nächsten zu reden, abzulegen, aber doch nicht für Spellmann, der kein Diener Gottes, sondern ein Diener der Wall Street ist.
07:34Und in deren Auftrag Weihnachtshetzer vom Dienst an dem für ihn Klagemauer.
07:42Meine Damen und Herren, wer noch nicht gewusst haben sollte, was antikommunistische Hetze ist und in welche Niederungen der Unmoral sie führt,
07:52Nach diesem Erguss der schönen Seele eines amerikanischen Kardinals durfte es keine Unsicherheit in der Frage mehr.
07:58Aber Gerechtigkeit muss sein, die USA sind, was Heuchelei angeht, keineswegs das einzige Land, der für wahre geradezu unbegrenzten Möglichkeiten.
08:08Sie sind uns ja ein lieber alter Bekannter, wie Sie vorhin hörten aus dem Kindsmund, dass nun zwölf Jahre schon darüber hingegangen sind,
08:18dass wir Sie bei uns zu Gast haben zum Heiligen Weihnachtsfeste.
08:21Und wie sehr Sie zu uns gezählt werden im Waisenhaus, mag Ihnen daraus erkenntlich sein,
08:30dass die Schwester letztendlich in der Nacht wach wird und die Unterhaltung von Waisenkindern hört.
08:39Und die Unterhaltung drehte sich darum.
08:44Ja, sagte einer, bald kommt auch wieder unser Onkel Bundeskanzler zu uns.
08:50Ja, sagte der andere, darauf freue ich mich auch schon.
08:54Er bringt uns sicher was mit, wie das bei Kindern so geht.
08:58Der gute Onkel Bundeskanzler, der nicht nur für Kinder, er hat wirklich für jeden etwas Steuererhöhungen und Preissteigerungen
09:05und verlängerter Barras und Raketen und Atomsprengköpfe.
09:09Ja, und für die Kinder, die Aussicht auf frühe Verweisung, soweit sie noch nicht Waisen sind,
09:15wenn ihm nicht gewählt wird, diesem Onkel Bundeskanzler, von dem die ganze Welt weiß,
09:21wie gerissen, wie gewissenlos, wie verlogen und betrügerisch dieser gute Onkel, dieser Kinderfreund ist.
09:27Alle Welt weiß das und deshalb schickte man zur Sicherheit noch einen anderen Biedermann
09:32über die bundesdeutschen und Westberliner Mattscheiben.
09:37Zwar können wir nicht allein die deutsche Einheit wiederherstellen,
09:42was aller Bedrückung und Not ein Ende machen würde.
09:45Wir müssen im Ringen um dieses Ziel, wie in der Frage unserer Sicherheit,
09:49auf die Hilfe der in den europäischen und atlantischen Bündnissen zusammengeschlossenen freien Völker vertrauen.
09:58An uns aber liegt es dann, unseren Verpflichtungen in diesem Zusammenwirken voll nachzukommen
10:05und das ganze Risiko mitzutragen, damit unsere Verbündeten sich unser Hauptanliegen zu eigen machen.
10:13Das klingt so bieder und treu deutsch, dass man gar nicht richtig hinhören mag.
10:18Allein können wir die Einheit nicht herstellen?
10:22Da sind Bundeswehr und die Ärmchen des Herrn Strauß anscheinend doch nicht stark genug zu.
10:26Und deshalb müssen wir die NATO stärken.
10:30Das sind ein paar Divisionen und Atomraketen mehr.
10:33Und dann, das wäre doch gelacht, wenn es nicht gelänge, die Alliierten in irgendeine Provokation mit hineinzutragen.
10:39Oh, Verzeihung.
10:41Sie das Risiko, das ganze Risiko mittragen zu lassen.
10:46Ich bin hierher gekommen, um Ihnen einen Weihnachtsgruß zu bringen, vor allem an das Welsh Regiment, das augenblicklich im Tiergarten Wache steht.
10:59Und ich kann Ihnen versichern, dass die Pflicht, die Sie hier ausüben, lebenswichtig ist.
11:05Ob dieser General das im Ernst meint, dieser Engländer im Tiergarten?
11:09Warum soll dieses Wacheschieben im Tiergarten in West-Berlin lebenswichtig sein?
11:14Es wäre, meine ich, für das Leben dieser englischen Tommys und auch für das Leben der West-Berliner viel richtiger und sicherer, wenn diese Besatzungstruppen endlich abzögen.
11:28Diese Schutztruppen, die nur einen einzigen Schutz darstellen.
11:33Unter ihrem Schutz machen sich die übelsten Scharfmacher breit, reißen das Maul auf und treiben äußerst gefährliche Spiele.
11:39Seit zwei Jahrzehnten reise ich jedes Jahr zur Weihnachtszeit ins Ausland, in weit entfernte, aber auch in einsame Länder, um mit Söhnen Amerikas zusammen zu sein, die für unser Vaterland und ihre militärische Pflicht erfüllen.
12:00Pflicht, Vaterland. Und das aus dem Munde dieses Reisenden in Religionsmissbrauch.
12:07Aber dieser alte Missbrauch ethischer Begriffe, meine Damen und Herren, ist ja heute ohnehin im Westen wieder äußerst modern geworden.
12:16Von Vaterland redet man umso lauter, je mehr die Bundesrepublik ihre nationale Souveränität verliert, je mehr sie das Recht verspielt, sich rechtmäßiger deutscher Staat zu nennen.
12:28Ja, also, Vaterland ist für mich ein Begriff, den ich aus der Geschichte zwar kenne, aber der heute für mich also nicht fassbar ist.
12:38Wir haben also, was heißt hier Vaterland für uns Deutschen?
12:41Als junge Leute müssten wir, äh, ist es für uns immer schwierig, wenn wir Deutschland sagen, so geht es mir so, dass ich dann denke, naja, bis Helm steht und etwas weiter.
12:53Also ich muss mich auch immer wieder mit Gewalt daran erinnern, dass wir das ganze Deutschland, dass auch die Osten dazugehört.
13:00Ist diese Bundesrepublik, äh, sie ist verfassungsmäßig ein Provisorium, ist das nach ihrem Empfinden auch ein Provisorium?
13:07Da würde ich noch dazu sagen, die DDR als die sogenannte DDR, das würde ich ansehen als Provisorium.
13:12Ich glaube, das sehen sehr viele von uns als Provisorium an, während die Bundesrepublik als fester Staat ansehen wird.
13:18Uns scheint aus meiner Zuhörung sehr gescheit zu sein.
13:21Ja, ja, dem Reporter des Schwarzen Kanals, der findet das also gescheit, wenn junge Westdeutsche den Begriff Vaterland nicht mehr, wie sagte der Junge, fassbar finden und meinen, das Vaterland reiche bis Helm steht und ein bisschen weiter.
13:38Dass die Ostzone dazugehört, daran mussten sie sich schon gewaltsam erinnern, wie auch einer eben sagte.
13:45Und die Bundesrepublik, das sei ein fester Staat auf immer da, und die DDR dagegen sei ein Provisorium.
13:55Meine Damen und Herren, was wissen Westdeutsche und Westberliner, die ihre Informationen aus den Zeitungen drüben, den Rundfunksländern, den Fernsehstationen und von diesen Bonner und Schöneberger Politikern beziehen, was wissen Sie von der DDR?
14:08Würden Sie mir eine Frage beantworten?
14:10Am Sonntag haben wir den 17. September.
14:14Ja.
14:14Wissen Sie, was an diesem Tag in der Sowjetzone stattfindet?
14:18Nein, das kann ich nicht sagen.
14:19Wissen Sie nicht?
14:20Wissen Sie, was in der Sowjetzone am Sonntag stattfindet?
14:23Eine Wahl, ne?
14:24Ja. Wissen Sie, ob man sich zwischen mehreren Parteien entscheiden kann?
14:28Ja, also, das weiß ich nicht.
14:31Nein.
14:31Wahrscheinlich nicht. Kann man nicht.
14:33Wissen Sie, was am 17. September in der Sowjetzone stattfindet?
14:36Nein.
14:37Wissen Sie, was an der 17. September?
14:38Ja, genau so, die waren die bei uns.
14:40Kann man sich drüben zwischen mehreren Parteien entscheiden?
14:42Nein, man kann sich nur für eine Partei entscheiden.
14:44Wie ist Ihre Meinung? Gibt es drüben mehrere Parteien?
14:48Ja, ich glaube es nicht.
14:50Gibt es mehrere Parteien der Sowjetzone?
14:51Ja, gibt es vielleicht, aber dürfen ja nicht alle gewählt werden, oder?
14:54Ich wollte fragen.
14:56Meine Damen und Herren, man ist hier in der Bundesrepublik über die Vorgänge in der Zone informiert.
15:01Man ist informiert.
15:04So kann man diesen blühenden Unsinn natürlich auch nennen, der da im Schwarzen Kanal über die DDR verzapft wurde.
15:11Wir können diesen nicht wissenden Menschen keinen Vorwurf daraus machen.
15:16Schließlich sind sie auf das angewiesen, was ihnen tagtäglich drüben vorgesetzt wird,
15:21von der freiheitlichen Presse, von anderen freiheitlichen Informationsmitteln
15:26und von freiheitlichen Ministern wie diesem.
15:33Ich darf bekennen, dass ich zu denen gehöre,
15:40die meinem Volke bei jeder nur möglichen Gelegenheit zurufen,
15:46was geschehen ist, dürfen wir nicht vergessen und können wir nicht vergessen.
15:53Nicht vergessen? Das sieht dann so aus.
15:56Wir haben das ja wirklich schwer mit unserer Geschichte.
16:02Was ist, was war des deutschen Vaterlandes?
16:07Der Urgroßvater sah in der Schule 1861 noch diese Karte vor sich.
16:12Den Bund der deutschen Staaten von Bremen bis nach Siebenbürgen,
16:15es war alles nur sehr lose zusammengefügt.
16:18Der Großvater hatte 1901 eine andere Karte im Schulzimmer
16:23und vielleicht hatte er sogar noch einen Lehrer, der es wagte zu sagen,
16:27dies sei das Kleindeutsche Reich.
16:29Denn 1866, 1871 ist zwar eine Einheit hergestellt worden,
16:34zugleich aber auf Kosten einer großen deutschen Spaltung.
16:37Der Vater wiederum lernte zuerst die Tatsache eines Kleindeutschen,
16:41und dann 1941 wiederum eines großdeutschen Reiches.
16:46Das war nicht nur ein gewaltiges, sondern auch ein gewalttätiges Gebilde.
16:50Der Sohn aber, heute zehn Jahre alt, hat wieder eine andere Karte vor Augen.
16:58Und der Lehrer erzählt ihm von Breslau und Königsberg wie von Hamburg und München.
17:02Was geschehen ist, dürfen wir nicht vergessen, brüllte Lämmer.
17:06Aber was heißt vergessen?
17:07Man sagt es den Menschen ja gar nicht.
17:10Sie haben ja gar nichts zu vergessen,
17:12denn die Geschichte, die da drüben gelehrt wird,
17:14die Vergangenheit, die bewältigt werden soll.
17:18Was weiß man denn im Westen davon?
17:20Die Landkarten von der Jahrhundertwende,
17:23mit den Kolonien und den geraubten Gebieten im Osten, Norden und Süden und Westen?
17:29Wie kam es denn zur Landkarte von 1945?
17:32Wer ist schuld?
17:34Und warum ist sie um des Friedens und des Lebenswillens endgültig und unveränderbar?
17:40Das sagt man dem zehnjährigen Jungen in Westdeutschland nicht,
17:43sondern man erzählt ihm von Breslau und Königsberg.
17:49Unser Jugendforum heißt heute Abend, gelobt sei, was hart macht.
17:54Sie werden sich wundern, wo kommt dieser Spruch her?
17:56Wir haben ihn entdeckt bei einer Besichtigung der Kaserne in Evershorst
18:00mit dem Jugendforum vor einigen Monaten.
18:02Er steht über dem Eingang der Rekrutenbatterie.
18:06Und es ist nun die Frage, was bedeutet dieser Spruch?
18:10Was soll hart gemacht werden?
18:12Und ist es der richtige Leitspruch für die Jugend?
18:16Ach, wir wundern uns gar nicht, dass dieser Spruch in einer westdeutschen Kaserne hängt,
18:20als Leitbild gelobt sei, was hart macht.
18:22Wir wissen übrigens noch mehr.
18:24Wir wissen nämlich, wo es herstammt und wen gebrauchte.
18:27Er stammt aus Nietzsches Zarathustra.
18:30Und er wurde deshalb von Goebbels zur Losung erhoben.
18:32Und nun hängt er in einer westdeutschen Kaserne.
18:34Und auch ich möchte fragen, ist das der richtige Leitspruch für die westdeutsche Jugend?
18:40Wenn die Soldaten wie zu alten Zeiten durch die Stadt marschieren.
18:45Es ist, als ob es nie anders gewesen wäre.
18:48Als hätte es keinen verlorenen Krieg gegeben.
18:51Ist das alles vergessen?
18:52Ist das alles zugedeckt vom dröhnenden Klang der Militärmusik?
18:55Das wäre vor fünf Jahren noch unmöglich gewesen.
18:59Anscheinend ist das Unbehagen in Westdeutschland doch recht weit verbreitet.
19:03Weiter, als es der Schwarze Kanal für gewöhnlich erkennen lässt.
19:07Denn wie könnte sonst einer seiner Reporter es wagen, einmal solche verfänglichen Fragen zu stellen?
19:14In der Tat, vor fünf Jahren wäre das noch nicht möglich gewesen.
19:18Vor fünf Jahren hat noch die Mehrzahl gedacht wie dieser.
19:21Allenfalls kann man sagen, gelobt sei, was zum Denken führt und zur Menschlichkeit.
19:28Ich meine, das sollte die Richtschnur auch bei der Bundeswehr sein.
19:32Und deshalb hat der Spruch doch nichts mehr zu suchen.
19:35Aber er hängt in der Kaserne.
19:38Das Märchen vom Bürger in Uniform von der demokratischen Bundeswehr, das ist verweht.
19:47Niemals darf verschwiegen oder verkleinert werden.
19:51Was der deutsche Soldat in den unerhörten Kämpfen und Leiden des Krieges,
19:58an Opfermut und Pflichttreue, an kameradschaftlichem Eintreten für den Anderen,
20:04an Bereitschaft zur letzten Hingabe bewiesen hat.
20:08Es bedeutet keine Menschenverherrlichung und keine Heldenverehrung,
20:15wenn nüchtern festgestellt wird, dass sie, die den so schlichten Rock des Soldaten trugen,
20:24wohl fast alle, über das eigene Ich mit seinen kleinen Wünschen hinausgelangt waren
20:31und sich bewusst der größeren Forderung, dem größeren Gesetz untergeordnet hatten,
20:38das Leben der Heimat, das sie sich anvertraut wussten, zu schützen und zu erhalten.
20:45Sollen wir uns für unsere jungen Soldaten heute, unsere Söhne und Brüder,
20:56die unter demselben sittlichen Gesetz stehen, das Leben des Volkes zu schützen,
21:03nicht die gleiche Gesinnung wünschen?
21:04Meine Damen und Herren, das wurde am sogenannten Volkstrauertag im Bonner Bundestag gesprochen,
21:09von einem Geistlichen, vor Hitler-Generalen und SPD-Abgeordneten und vor Glopka.
21:16Auch wir gedenken der Toten, auch der Toten Soldaten.
21:20Aber so?
21:22War das wirklich Pflichttreue? Treue gegenüber dem Vaterland?
21:27Haben Sie das Leben der Heimat geschützt und erhalten?
21:30Haben Sie all Ihre Tugenden, Ihren Mut, Entsagung, Erdulden von Entbehrungen, Leiden und Schmerzen,
21:38haben Sie das alles fürs Vaterland eingesetzt?
21:42Sich einem größeren Gesetz unterordnet?
21:46Waren Sie nicht vielmehr Opfer, Irregeleitete, Verführte, Missbrauchte?
21:52Gehorsame, Blinde, Taube oder mutlose Diener einer schlechten Sache?
21:57Das soll ein sittliches Gesetz gewesen sein, nachdem Sie angetreten waren
22:02und nicht das Gesetz Hitlers und Freislers, das Gesetz des Imperialismus?
22:08Das soll Ihr Vaterland gewesen sein und nicht das Deutschland,
22:12der Krupp und Flick und Stinn ist, der Richter und Henker?
22:17Und die missbrauchte Hingabe für das alles.
22:20Das soll dasselbe sittliche Gesetz sein, unter dem heute die jungen Bundeswehrsoldaten stehen.
22:28Es kommt darauf an, welches Deutschland Sie meinen, das von 1870 oder das Vorher oder das Hinterher.
22:34Es gab ja schließlich schon viele Deutschland.
22:36Tja, meine Zuschauer, solche Antworten wurden uns oft gegeben.
22:40Welches Deutschland wir denn meinten?
22:42Was denn des deutschen Vaterland sei?
22:44Und meist brach dann ein allgemeines Suchen und Tasten und Fragen nach den wirklich großen Ereignissen und Daten unserer Geschichte aus.
22:52Interessant war uns dabei freilich, dass kaum einer sich auf den Glanz und die Macht und die Herrlichkeit des wilhelminischen Kaiserreichs bezog.
23:00Davon wollte man nicht sprechen.
23:01Vielmehr suchte man nach Ereignissen, auf die das ganze Volk als politisch freies Volk stolz sein könnte.
23:08So etwa wie hier in einer Gruppe junger Burschenschafter, also Angehöriger einer traditionellen Studentenverbindung, von der man früher sagte, in früheren Jahrzehnten, sie denke völkisch national.
23:19Wir stehen vor der Tatsache, dass wir eigentlich keinen richtigen nationalen Feiertag haben, einen Tag, an dem wir feiern. Wie kommt das?
23:27Ja, das liegt daran, dass einfach keine freudigen Ereignisse da sind. Wir haben eben keine Revolution gewonnen. Der Kaiser ist auch tot.
23:34Der Kaiser ist auch tot.
23:37Burschenschafter, die dem Kaiser nachweinen und jammern, dass sie keinen Kaisersgeburtstag, keinen Sedantag, keinen Siegestag zu feiern haben.
23:45Und über eine Revolution reden sie wie übers Brötchenbacken.
23:48Fehlt Ihnen wirklich nur der gebührende Anlass zur nationalen Feier, meine Damen und Herren?
23:55Oder liegt es an etwas anderem am Verlust des Gefühls für Volk, für Nation, für den Staat?
24:04Ein Staatsgefühl im landläufigen Sinne, also wie es die ältere Generation sich vorstellt, besitze ich nicht.
24:13Und ich glaube, dass es auch die Mehrheit meiner Generation heute nicht besitzt.
24:22Für was wir eintreten, wäre eine größere Ordnung eine europäische Ordnung.
24:31Das haben wir doch gerade erst aus Andermunde gehört. Wo war das noch?
24:35Der Staat, die Nationen, die nationale Souveränität sind überholt und werden abgelöst durch übernationale Institutionen.
24:46An ihre Stelle treten Konföderationen, Föderationen atlantischen und transatlantischen Charakters.
24:55Statt Nationen, NATO, da haben wir es.
24:59Heuss sagte das schon vor Jahren und jetzt predigt es Straußland auf Land ab und auch jenseits des Atlantik, wo der Universität in Georgetown.
25:08NATO statt Nation.
25:10Sollte also der Verlust des Staatsgefühls, des Nationalgefühls, das Bewusstsein und der Stolz, Deutscher zu sein, sollte das alles nicht als Kriegsfolge, nicht aus Zufall verloren gegangen sein, sondern aus gezielter Absicht?
25:28Hier antwortet den Soldaten der CSU-Politiker Dr. Richard Jäger, Vizepräsident des Dritten Bundestages und Vorsitzender des Verteidigungsausschusses.
25:40Herr Präsident, warum wird der Schwerpunkt der Ausbildung in der Bundeswehr auf konventionelle Waffen gelegt? Ich halte das für überholt.
25:48Ich finde diese Frage außerordentlich interessant. Ich finde sie vor allem deswegen interessant, weil es ja politische Kräfte in unserem Volk gibt, die der Auffassung sind, dass die atomaren Waffen überhaupt nicht braucht.
25:59Und ich finde es also recht erfreulich, dass Sie die Notwendigkeit dieser atomaren Waffen hier sogar als junge Rekruten einsehen.
26:07Die Notwendigkeit atomarer Waffen, worüber freut dieser Politiker sich auch noch, bei jungen Rekruten einer Armee, deren Stoßrichtung auf einen Staat zielt, in dem ebenfalls Deutsch gesprochen wird.
26:19Und in dem alle guten Traditionen unseres Vaterlandes lebendig sind.
26:24In dem die Jugend mit Recht ihren Staat zieht.
26:28Während die westdeutsche Jugend...
26:32Was halten Sie bitte von der heutigen Jugend?
26:35Nicht das Allerbeste.
26:37Ob es das Vaterland in dem Sinn betrachtet, wie es mir als Jungen betrachtet haben, das weiß ich nicht.
26:41Die heutige Jugend ist überwiegend stark amerikanisiert.
26:46Es ist schwer, das zu beantworten. Ich würde sagen, es ist schwer, heute in Deutschland Patriot zu sein.
26:54Also ich bin für eine größere Ordnung im europäischen Sinne und nicht zum Beispiel für eine nationale, kleingeistige Haltung.
27:05Ich bin vielleicht zu sehr Europäer, um richtig deutsch zu sein.
27:09Was ist das für ein Staat, in dem so gedacht wird?
27:14Wo ist da noch nationale Verantwortung der Führenden?
27:18Und was ist das für ein Verbündeter in Übersee, der als Vorbild gepriesen wird?
27:25Und der nach eigener Behauptung, mit dem man nach eigener Behauptung gemeinsam zur Verteidigung der abendländischen Kultur angetreten ist.
27:33Sie sehen hier Ausschnitte aus typischen Programmen des amerikanischen Fernsehens.
27:48Von 13 Kanälen werden täglich stundenlang solche Grausamkeiten und Nervenkitzel auf 46 Millionen Fernsehschirme in den Vereinigten Staaten losgelassen.
28:03Diese Sachen sind sicherlich komisch, aber auch scheußlich.
28:27In Washington sagte dieser Tage ein führender Fachmann für Jugendkriminalität, dass Fernsehsendungen dieser Art zu Verbrechen anreizen.
28:37Es vergeht kein Tag im amerikanischen Fernsehen, ohne dass geschossen, geschlagen, getreten, gefoltert und gemordet wird.
28:46Über die Hälfte der Programme ist eine Schule der Brutalität.
28:51Sieht so eine Schule zur Verteidigung des Vaterlandes aus?
28:57Werden so nicht vielmehr Landsknechte erzogen, die blind gehorchen und blind schießen und morden?
29:05Nationale Würde, Nationalstolz.
29:11Von einem Amerikaner lasse ich mir alles sagen.
29:14Von einem Amerikaner lasse ich mir alles sagen.
29:17Der dumme Witz seines mittelmäßigen Konfranciers, sicher.
29:21Aber dennoch in völliger Übereinstimmung mit dem Kanzler der Alliierten, so nannte Schumacher ja den Bundeskanzler einst.
29:28In Übereinstimmung, nein, sagen wir dem Staate, gemäß der nach Martin Niemöller,
29:33in Rom gezeugt, in Washington geboren, auf jeden Fall aber auf dem Petersberg von ausländischen hohen Kommissaren zusammengeschustert
29:42und dann von Befohlenen, nicht Gewählten, sondern ernannten, sogenannten parlamentarischen Räten aus der Taufe gehoben worden ist.
29:50Man sang süffisant und fatalistisch, wir sind die Eingeborenen von Tritonesien.
29:57In dieser wilden, haltlosen, anarchischen Zeit wurde die Bundesrepublik gegründet.
30:02Wer von jenen 40% junger Menschen erinnert sich heute noch daran?
30:05Nein, soweit ich mich entziehen kann, nicht. Ich glaube, ich habe auch noch was zu jung.
30:12Nein, kann ich mich erinnern.
30:15Nein, ich kann mich auch nicht mehr erinnern.
30:17Nein, niemand weiß nur, dass ich es zur Kenntnis genommen habe, aber nicht irgendwie besonderlich berührt davon.
30:24Es war für Sie kein Ereignis.
30:25Nein.
30:27Wer kennt den Gründungstag der Bundesrepublik? Wer feiert ihn wohlmöglich?
30:32Fehlanzeige. Kein Interesse. Kein Staat. Kein Vaterland. Kein Deutschland vor allem. Ein Provisorium.
30:40Aber, meine Damen und Herren, ein gefährlicher Ausgangspunkt neuer geplanter Aggressionen.
30:48Brutstätte alles dessen, was es an schlechten, falschen Traditionen in Deutschland gibt.
30:53Zuflucht und Dorado von Leuten, deren Namen auf den Kriegsverbrecherlisten fast aller betroffenen Völker zu finden waren.
31:00Steckbrieflich gesucht? Bitte. Auf dem Staatssekretärsstuhl.
31:05Auslieferung zur Verurteilung und Verbüßung der erwirkten Strafe gefordert?
31:09Aber bitte, vier Sterne General und Vorsitzender des Militärausschusses der NATO und so weiter.
31:15Deren Staat ist das, meine Damen und Herren?
31:19Deutschland? Vaterland?
31:22Denen schwören, dienen, gehorchen? Denen Treue halten?
31:27München ist nämlich das Weltzentrum der politischen Emigrationspresse.
31:33Hier arbeiten 260 Journalisten und 22 Zeitungen werden hier gedruckt.
31:39In zehn eigenen Druckereien.
31:41Das Hauptkontingent stellen die Ukrainer und die Ungarn.
31:46Zu den 260 Journalisten habe ich nicht jene hunderte von Kollegen gerechnet,
31:50die an den beiden Sendestationen Freies Europa und Radio Liberty arbeiten.
31:56Der Sender Freies Europa liegt zum Beispiel neben diesem Tennisplatz,
32:02auf dem es sich manchmal anhört, als wäre man in Ungarn, in der Tschechossobakei, in Polen oder in Rumänien.
32:09Dieser Sender steht schon seit vielen Jahren in München.
32:20Er wird von Amerikanern finanziert.
32:23Ihr sendet in fünf Sprachen, Ungarisch, Bulgarisch, Rumänisch, Polnisch und Tschechisch.
32:36Buviros Gošnia Polska, Radia Volna Europa.
32:40Aiche Radio Europa Libere.
32:43Dobre Jitro, vášení posluchatši.
32:45Hlasí se vám Československá stanice rozhlasu Svobodná Evropa.
32:51Buviros Gošnia Polska, Radia Volna Europa.
32:53Ebenfalls von Amerika finanziert, wird der Sender Radio Liberty.
32:59Ihr sendet in 17 Sprachen der Sowjetunion.
33:03Von Russisch bis Tatar-Baschkirisch.
33:05Und das redet von Vaterland und Nation, von Volk, von nationaler Freiheit, nationaler Souveränität
33:14und von Verteidigung und Frieden.
33:18München, das nennt sich Deutschland.
33:23Fühlen Sie sich zuerst als Mainzer, dann als Deutscher und dann als Europäer oder in welcher Reihenfolge?
33:30Was hieß denn, welcher Reihenfolge? Als Europäer, ist doch klar.
33:33Zuerst als Deutscher, dann Europäer.
33:35Ich bin Jahrgang 95, nicht wahr?
33:37Und wenn Sie mich 20 Jahre später fragen, werde ich Ihnen vielleicht sagen,
33:41Europäer und alles Übrige ist dann schon der Vergangenheit angehörig.
33:47Wenn ich von diesen drei eine Antwort geben würde, müsste ich sagen, Europäer.
33:51Als allererstes als Deutscher.
33:53Als Deutscher zählst.
33:55Ich möchte sagen, ich fühle mich als Europäer.
33:58Zum einfachen Grunde, weil mir alle Menschen gleich lieb sind.
34:02Was ist Ihre Meinung?
34:03Das Gleiche, auch als Europäer.
34:05Also ich würde sagen, zunächst Europäer.
34:09Ich bin in ganz Europa gewesen. Ich fühle mich überall zu Hause.
34:12Was für eine Verwirrung.
34:15Und das redet von Vaterland und Nation, von Volk und nationaler Freiheit.
34:18Aber meine Damen und Herren, wollen wir so ins neue Jahr gehen?
34:23Und nicht ein wenig darüber nachdenken, was es eigentlich heute heißt, unserem Volke zu dienen.
34:29Was nationale Verantwortung bedeutet und gebietet.
34:32Nämlich unserem Vaterland, unserem Volk.
34:35Das heißt, uns allen den Frieden zu erhalten.
34:39Das heißt, Frieden zwischen beiden deutschen Staaten, die nun mal bestehen.
34:43Keine Atomwaffen in unserem Vaterland.
34:45Vernünftige, korrekte Beziehungen miteinander.
34:49Verhandlungen, Friedensvertrag.
34:51Beseitigung dieses Störenherdes West-Berlin durch Neutralisierung.
34:55Respekt vor der Souveränität des Anderen.
34:58Damit es ein friedliches Jahr wird.
35:00Nützlich?
35:01Jedem und allen?
35:05Sehen Sie, meine Damen und Herren, Sie alle wissen, dass wir 1961 ein paar trübsinnige Tage zu durchstehen hatten.
35:12Es hat Stunden gegeben, die uns miesepetrig und vielleicht auch etwas mutlos vorgefunden haben.
35:19Und wir alle kennen ein oder zwei Gesichter in unserem Bekannten- und Verwandtenkreis,
35:23die plötzlich eines Abends mit der Mitteilung aufwarteten, sie hätten es nun satt hier in West-Berlin und nun gingen sie.
35:29Der hat ein bisschen kalte Füße bekommen, der Herr von der anderen Seite, wenn er ans neue Jahr denkt.
35:34Und zwar mit Recht.
35:35Und der ist auch nicht der Einzige mit kalten Füßen.
35:38Und wenn man so die Entwicklung sieht, wie sie unaufhaltsam vonstatten geht,
35:42dann ist es kein Wunder, wenn es dort drüben mit gedämpften Trommelschlag ins neue Jahr geht.
35:47Zumal ja auch die persönlichen Erwartungen nicht gerade die rosigsten sind.
35:51Willy Brandt ist auf der Suche nach einem Nachfolger, aber nicht einmal in der Bundesrepublik findet er einen dummen.
35:59In welchem westdeutschen Ort mag er seinen nächsten Silvester feiern?
36:02Und die begrenzte Regierungsfähigkeit des Bundeskanzlers, sie wird auch nicht gerade tröstlicher durch die Aussicht auf einen Erhard auf dem Regierungssessel.
36:12Schließlich hören Eichmann sehr laut, Lobke und Heusinger noch nicht ganz so laut, aber doch nicht minder peinlich.
36:19Das Ticken ihrer ablaufenden Uhren und das dumpfe Malen langsamer, aber gerechter Mühlen.
36:26Für wahr die berühmte Decke, auf der all diese Leute stehen, die ist noch dünner geworden als Adenauer sie vor einem Jahr im Westfernsehen abmaß.
36:39Die Risse sind breiter, das Schwanken fühlbarer, das dumpfe Rollen im Gebälk unüberhörbar.
36:44Und so bleibt den Herrn da drüben nur das Horoskop oder der wieder mal teurer gewordene Kaffeesatz,
36:49ohne dass ich ihre gedrückte Stimmung dadurch merklich heben dürfte.
36:55Denn das alles ist kein Zustand, meine Damen und Herren, der sich morgen für die Herren in Bonn und Schöneberg auf einmal merklich bessern würde,
37:03sondern das ist Bewegung, das ist Entwicklung in einer einzigen Richtung und zwar folgerichtig und gesetzmäßig,
37:11wie vom immer wieder totgesagten Marx vorausgesagt.
37:14Und wenn man wissen will, und das will man besonders an einer Jahreswende besonders gern,
37:22wenn man wissen will, wie es weitergeht,
37:24diese Leute, von denen wir heute Abend gesprochen haben,
37:28die Deutschland verraten, die die nationale Virenität verraten,
37:33die die Bundesrepublik schädigen und uns Verderben hineinführen wollen und die sie so stolz NATO nennen,
37:39die bangen vor jedem neuen Jahr, vor jedem neuen Monat, jeder Woche, vor jedem neuen Tag,
37:44was mag nun schon wieder über sie hereinbrechen, die freie Stadt, das neutrale West-Berlin, der Friedensvertrag,
37:50welche Kolonie wird in diesem Jahr verloren gehen und so weiter.
37:53Sie wissen nicht, was morgen ist, aber Sie ahnen es und Sie haben Angst, fürchterliche Angst.
37:57Aber wir, in der Sowjetunion, in der DDR, in den anderen sozialistischen Staaten,
38:06wir planen zum Beispiel bis 1980, da wissen wir ganz genau so und so wird sich unser Leben entwickeln,
38:13höher, besser, reicher, bunter, schöner, von heute bis 1980, Stück für Stück,
38:19und zwar auch an jedem Tag, in jeder Woche, jedem Monat, in jedem Jahr.
38:25Wird 1962 gut oder schlecht werden?
38:29Wissen Sie, der Standpunkt bestimmt die Perspektive.
38:33Für Strauß, für den Schar von Persien und ähnliche Relikte aus der Vergangenheit
38:39wird es ein ohne Zweifel ein schlechtes Jahr werden.
38:41Für Leute, die auf Ausbeutung, auf Eroberung, auf Krieg spekulieren,
38:44wird so schlecht wie noch nie, für die wird es ein Katastrophenjahr.
38:47Aber für den Anständigen, Ehrlichen, den Friedliebenden, den guten Menschen
38:54wird es ein sehr gutes Jahr werden, davon bin ich überzeugt.
38:58Ja, und für unsere gemeinsame Montagssendung, Schwarzer Kanal,
39:03wird es, da habe ich gar keine Sorge, ein sehr reiches Jahr werden,
39:07denn Ausbeute wird es immer geben.
39:09Dafür sorgt mit seinen täglichen Lügen, toten sicher auch im neuen Jahr.
39:15Das deutsche Fernsehen mit dem ersten und zweiten Programm.
39:19Das deutsche Fernsehen mit dem ersten Programm.
39:26Das deutsche Fernsehen mit dem ersten Programm.
39:33Musik

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