Für die Aufdeckung von Verbrechen sind Zeugenaussagen enorm
wichtig. Doch mit einer Aussage vor Gericht gehen die
jeweiligen Personen immer auch ein Risiko ein, denn sie
verbürgen sich dabei mit ihrer wahren Identität.
wichtig. Doch mit einer Aussage vor Gericht gehen die
jeweiligen Personen immer auch ein Risiko ein, denn sie
verbürgen sich dabei mit ihrer wahren Identität.
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00:00Zahner Elster, unweit der Lutherstadt Wittenberg. Eine Kleinstadt mit knapp 10.000 Einwohnern.
00:16Hier lebt Wolfhard Lamberti gemeinsam mit seiner Frau Barbara seit vielen Jahren in einem Einfamilienhaus.
00:22Wolfhard Lamberti ist am liebsten in seinem Garten. Dabei immer an der Seite des 77-Jährigen Hunde.
00:34Das war sein Hobby, der Hund und der Garten. Also was so an technischen Sachen war, was ich nicht kann oder nicht wollte, machen wollte, das hat er gemacht.
00:44Wolfhard Lamberti vertreibt sich oft auch die Zeit mit Kreuzworträtseln.
00:50Doch am allerliebsten geht der Rentner mit seinem Hund Findus auf die Gassirunde. Mehrmals täglich. Besonders gern am frühen Morgen.
00:57Das war eigentlich, konnte man so die Uhr nachstellen. Morgens um sechs war er schon draußen, das erste Mal. Egal ob Sommer oder Winter.
01:07Also der Morgengang war 20 Minuten, höchstens eine halbe Stunde. Und am Tage, wenn das Wetter schon schön war, dann ist er manchmal dreiviertel Stunde, fast eine Stunde. Je nachdem, wie er sich gefühlt hat.
01:18Auch am Morgen des 27. Januar 2019 ist Wolfhard Lamberti sehr früh wach.
01:27Ich musste um sechs auf die Toilette und da war er gerade bei seinem ersten Frühstück. Ich bin wieder ins Bett, konnte dann immer wieder mich umdrehen, einschlafen.
01:44Wenig später verlässt Wolfhard Lamberti das Haus und geht seine Runde. Normalerweise ist der Rentner nach einer halben Stunde wieder zurück. Doch nicht an diesem Morgen.
01:57Und ich bin um halb sieben wach geworden und hörte ihn nicht in der Küche rumoren. Denn wenn er zurückkam, hat er dann das Frühstück für uns beide gemacht.
02:10Kaffee gekocht, Eier gekocht. Und da war nichts zu hören. Dann bin ich in die Küche, da war er auch nicht da.
02:15Der Topf mit den Eiern, das lag alles da. Ich denke, wo ist denn mein Mann?
02:25Barbara Lamberti ist ratlos. Warum kommt ihr Mann nicht zurück? Sie ist in großer Sorge, dass etwas passiert ist.
02:32Ich bin an die Tür vorne, die war zu. Und er hat immer zugeschlossen, wenn er weggeht.
02:41Barbara Lamberti denkt, dass ihr Mann vielleicht im Garten ist. Dort will sie nun nachsehen. Doch im Garten ist er nicht.
02:49Dafür macht sie jetzt eine überraschende Entdeckung.
02:51Ich komme um die Ecke, da sehe ich zwei rote Augen am Zaun. Das war unser Hund. Ich also bin zum Hund und denke, wo ist dein Herrchen?
03:08Nur der Hund ist von der Gassirunde zurückgekehrt. Barbara Lamberti beschließt, nach ihrem Mann zu suchen.
03:15Da er zuckerkrank ist, befürchtet sie, dass er ohnmächtig geworden sein könnte.
03:25Und dann bin ich den Weg gegangen, den ich vermutete, den er gegangen ist.
03:31Immer gerufen, Wolfhard und den Hund immer gesagt, Such, Herrchen, Such.
03:36Also ich hatte den Hund an der Leine, die Leine war ganz sandig.
03:40Und bin dann um diese Halle am Güterbahnhof gegangen, hab dort gestanden,
03:44weil ich irgendein Geräusch gehört habe.
03:49Und dann hab ich so rundherum geleuchtet, aber ich hab nichts gesehen.
03:53Und es war auch dann nichts mehr zu hören. Es fuhr auch kein Auto, nichts.
03:57Es war Mucksmäuschenstille. Meine Stimme klang wie ganz laut.
04:03Doch von Wolfhard Lamberti fehlt jede Spur.
04:06Der Rentner ist nirgendwo auffindbar.
04:09Seine Frau weiß nicht, wo sie noch suchen könnte und kehrt zurück nach Hause.
04:14Und bin sofort ans Telefon und hab das Krankenhaus angerufen.
04:19Die Leitstelle hat gesagt, nein, in Zahner ist kein Wagen abgerufen worden.
04:25Wir vermitteln sie zur Polizei.
04:28Die Polizei nimmt den Fall des vermissten Rentners von Anfang an sehr ernst.
04:32Wir haben relativ schnell eine groß angelegte Suche gestartet.
04:37Wir wurden dabei unterstützt von Kameraden der Feuerwehr, Familienangehörigen, aber auch Anwohnern aus Zahner-Elster.
04:45Wir haben zudem eine Öffentlichkeitsfahndung eingeleitet, haben ein Bild des Vermissten veröffentlicht mit einer konkreten Personenbeschreibung.
04:52Die vermissten Fahndung nach dem 77-Jährigen läuft an.
04:58Auch die Familie ist in die Suche eingebunden.
05:02Enkelin Dorothee Beck ist die Erste, die damals bei ihrer Oma eintrifft.
05:06Sie ist Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr und macht sich große Sorgen um ihren Großvater.
05:10Er war ja so fit, er hatte ja nur diesen Zucker, altersbedingten Zucker und ich sage mir, vielleicht hat er doch einen Schlaganfall oder ähnliches bekommen, ist dann traumatisiert gewesen, wusste nicht, wo er ist, ist in den Zug eingestiegen, ist mit dem Zug los.
05:28Und ich habe immer so gesucht, ich dachte mir, Suizid kam für mich gar nicht in Frage, mein Opa war ein Schisser, das hätte der nie gemacht.
05:35Aber ich dachte mir so, naja, der wird krankheitsbedingt vielleicht doch irgendwo eine Herzattacke oder liegt vielleicht irgendwo wirklich im Wald und wir finden ihn einfach nicht.
05:45Opa! Opa!
05:49Noch bevor die Polizei in Zahner-Elster eintrifft, beginnt Dorothee Beck mit Freunden nach ihrem Opa zu suchen.
05:55Auch abseits der Wege, die Wolfert Lamberti regelmäßig mit dem Hund gegangen ist.
06:01Wolfert! Wolfert!
06:10Opa!
06:15Ja, und dann sind wir abends sogar noch bis 22, 23 Uhr mit Taschenlampen und den Autos losgefahren, haben rausgeleuchtet,
06:24sind durch die Wälder gefahren, haben gerufen, gemacht und ja, ein Stück gefunden.
06:31Im Ort treffen nach und nach die Einsatzkräfte ein.
06:34Am Ende werden fast 100 Kameraden von neun Ortsfeuerwehren an der Suche beteiligt sein.
06:39Wir haben dann großflächig, komplett Zahner, Straßen, Züge, Wiesen, Äcker, Bäche, Flüsse abgesucht.
06:50Auch wenn die Kameraden manchmal schon gesagt haben, oh, hier war mal schon, wird nochmal gesucht, kann ja sein, irgendwo reingerutscht.
06:55Die sehen wir im ersten Mal, es wird doppelt gesucht.
06:57Dass wir sagen können, wir haben alles getan, was wir tun könnten und haben auch nichts ausgelassen.
07:01Ein Schwerpunkt der Suche ist der Zahnerbach, außerhalb des Ortes, an den Bahngleisen, mehrere Kilometer vom Wohnhaus der Lambertis entfernt.
07:16Auch hier schauen die Helfer in jedes Abflussrohr.
07:20Sie kontrollieren Meter für Meter den Flusslauf.
07:23Doch nirgendwo findet sich eine Spur zum Vermissten.
07:30Nach stundenlanger Suche werden zum Abend die Suchmaßnahmen ergebnislos abgebrochen.
07:36Ich hatte dann große Angst, was passiert am Montag, wenn Opa nicht gefunden wird, geht die Suche trotzdem weiter.
07:43Das ist das Schlimmste in Menschen nicht zu finden, ob lebendig oder tot.
07:46Das ist für einen selber diese Gewissheit, dass er vielleicht noch irgendwo lebt und ist. Und das ist furchtbar.
07:58Eine Situation, mit der sich die Angehörigen nicht abfinden wollen.
08:04Am nächsten Morgen sucht die Familie gemeinsam noch einmal alle relevanten Orte ab.
08:12Auch am Zahnerbach wird wieder gesucht.
08:14Beufahrt!
08:18Die wussten ja nicht mal, wo sie suchen sollten.
08:20Und da haben die sich gesagt, bevor wir hier rumstehen und nichts machen, gehen wir einfach los und suchen nochmal alle Ecken ab.
08:27Ich kann meinen Bruder heute noch hören, wie er zu mir gesagt hat, Doro, ich helfe gerne mit, ich möchte ihn aber nicht finden.
08:39Und so war es letztendlich.
08:40Ihr Bruder findet den eigenen Opa an dieser Stelle, halb unter der kleinen Brücke, tot im Wasser.
08:50Für die Ermittler der Kripo beginnt jetzt die Spurensicherung am Fundort.
08:59Die Anfangsvermutung, offensichtlich ist Wolfert Lamberti ins Wasser gestürzt und ertrunken.
09:06Vielleicht ist er tatsächlich ohnmächtig geworden.
09:08Doch ein Detail lässt die Ermittler stutzig werden.
09:12Bei dem Leichnam befand sich ein grünes Transportnetz, welches wir sichergestellt haben.
09:22Und für uns war in dem Moment unklar, was überhaupt passiert ist.
09:25Also wir mussten in einer Weise natürlich von einem Unfallgeschehen ausgehen.
09:30Wir durften aber auch eine Straftat nicht aus dem Auge verlieren.
09:33Von daher haben wir von Anfang an in alle Richtungen ermittelt.
09:36Besonders mysteriös, der Auffindeort der Leiche wurde bereits kurz nach dem Verschwinden des Rentners am Tag zuvor von der Feuerwehr akribisch abgesucht.
09:56Doch gefunden wurde an dieser Stelle im Zahnerbach nichts.
10:00Für die Kameraden um Einsatzleiter Heiko Plewa löst die Nachricht, dass der Vermisste einen Tag später hier von Familienangehörigen gefunden wird, Verunsicherung aus.
10:14Hauptsächlich waren die Kameraden, die wirklich hier vor Ort waren, etwas geschockt.
10:17Habe ich doch vielleicht nicht richtig gesucht oder was habe ich übersehen?
10:20Wie kann das passieren, dass ich da bin an dem Punkt und dann wird da jemand gefunden?
10:24Es waren mehrere Kameraden an der Fundstelle.
10:26Am Sonntag, es war auch ein Kamerad in dem Flusslauf drinnen und hat auch in diesen Durchlauf geschaut und da war definitiv keine Person am Sonntag.
10:34Wo ist Wolfert Lamberti über fast 30 Stunden gewesen?
10:39Von seinem Verschwinden beim Gassigang am frühen Sonntagmorgen bis zum Fund seines Leichnams am Montagmittag.
10:46Fragen, die die Mordkommission jetzt klären muss.
10:57Oberstaatsanwalt Hermann Josef Gerhards übernimmt die Leitung der Ermittlungen in diesem Fall.
11:03Die Variante eines Unfalls wird immer unwahrscheinlicher.
11:07Dann hat sich aber sehr schnell herauskristallisiert, dass hier eine Fremdeinwirkung oder eine Rolle spielen würde.
11:19Es ist eine Sektion durchgeführt worden.
11:22Dabei wurde dann festgestellt, dass er ertrunken ist und dass er die vorher nicht so unbedingt sichtbaren, leichten Hautschürfungen hatte.
11:34Er hatte ein Hämatom und was auch nicht sichtbar war, er hatte eine Rippenserienfraktur, die man nicht unbedingt mit Sturz erklären konnte.
11:44Verletzungen, die darauf hindeuten könnten, dass Wolfert Lamberti überfallen und geschlagen wurde.
11:52Auch die weitere Suche der Ermittler am Auffindeort des Toten ist nicht erfolglos.
11:57Etwa 150 Meter vom Leichenfundort entfernt wird eine halbvolle Schnapsflasche gesichert.
12:04An der Schnapsflasche sind Spuren gefunden worden, die man Herrn Lamberti zuordnen konnte.
12:12Und es gab Fingerabdruckspuren an der Schnapsflasche, die wir aber nicht zuordnen konnten.
12:18An der Kleidung von Herrn Lamberti haben wir Spuren gefunden, die wir seiner Ehefrau, ihm selbst und so weiter zuordnen konnten.
12:30Also alles Berechtigte und eine Spur, die wir nicht zuordnen konnten.
12:35Woher stammen die Spuren an der Kleidung und an der Schnapsflasche?
12:40Um das herauszufinden, werden die Männer in der Region zu einem Massenspeicheltest aufgerufen.
12:46Doch bevor die Tests ausgewertet sind, wird die am Toten gesicherte DNA-Spur in der Datenbank registrierter Straftäter gefunden.
12:54Ein Treffer, der die Kriminalisten in einen kleinen Ort unweit von Zahner führt. Zu Jürgen T.
13:03Wer ist der polizeibekannte Mann? Und was hat er mit dem Fall zu tun?
13:15Er war geschieden. Im Laufe der Ermittlungen hat sich herausgestellt, dass er ein Kind hatte, aber zu dem bestand auch kein Kontakt.
13:21Wir haben dann recherchiert, dass er von 1991 bis zu dem Zeitpunkt insgesamt 14 Jahre im Gefängnis verweilt hatte.
13:30Unsere Erkenntnisse gingen dahin, dass er ein Einzelgänger ist.
13:38In den 2000er Jahren betreibt er gemeinsam mit seiner damaligen Lebensgefährtin einen An- und Verkauf für Möbel.
13:47Doch im Laufe der Zeit gibt es zunehmend Probleme. Die Beziehung scheitert.
13:54Jürgen T. gibt das Geschäft auf und lebt fortan allein.
14:00Er hatte in seinem Wohnen auch ein Grundstück mit mehr oder weniger Ruinen gekauft, die er wiederherstellen wollte oder renovieren wollte.
14:13Und dort hatte er auch mehrere Fahrzeuge stehen.
14:17Bereits in den 1990er Jahren beginnt Jürgen T. damit, Fahrzeuge zu stehlen.
14:23Einen Führerschein besitzt er nicht, weder für ein Moped noch für ein Auto, schon gar nicht für einen LKW.
14:30In der Folge wird er von der Polizei immer wieder beim Fahren ohne Führerschein erwischt und gerät so regelmäßig mit dem Gesetz in Konflikt.
14:38Nicht zuletzt auch durch Einbruch Diebstähle, die er außerdem begeht.
14:46Das waren die Diebstahlshandlungen und Verkehrsdelikte, die ihn viele Jahre im Gefängnis haben verbringen lassen.
15:02Auf dem Grundstück haben wir etliche Sachen festgestellt, die aus Diebstahlshandlungen stammten,
15:06die also zum Teil aber auch Jahre zurück lagen und hinsichtlich der Strafverfolgung schon verjährt waren.
15:13Das war eine ganze Reihe, also insbesondere Werkzeug, Baumaterialien.
15:18Das sind so diese Dinge, die eher zum einen für den täglichen Lebensbedarf, aber wahrscheinlich auch zum Verhökern sich angeeignet haben.
15:25Doch was hat Jürgen T. mit Wolfhard Lamberti aus Zahner-Elster zu tun?
15:33Sind beide am 27. Januar 2019 am frühen Sonntagmorgen aufeinander getroffen?
15:39Eine Zeugenaussage bringt letztlich die heiße Spur auf eine mögliche Verbindung.
15:49Es kam ein Hinweis von einem Bürger, dass er an diesem Sonntagmorgen einen hellen Transporter beobachtet habe, morgens um 6 Uhr.
15:59Und zwar an einer Stelle, wo Herr Lamberti auch seine Hunderunde vornahm.
16:05Die Ermittler finden heraus, dass auf Jürgen T.'s Grundstück ein heller Transporter steht.
16:13Bei einer Hausdurchsuchung schauen sich die Kriminalisten das Fahrzeug besonders gründlich an.
16:26Auf dieser Ladefläche haben wir dann bluttypische Spuren gefunden, die dann untersucht wurden und eindeutig Herrn Lamberti zuzuordnen.
16:35Wir hatten auch noch zusätzlich in dem Transporter Faserspuren gefunden, die dem Netz, welches um die Füße von Herrn Lamberti gewickelt war, zuzuordnen waren.
16:47Also das Bild hat sich dadurch deutlich abgerundet.
16:51Auch im Haus von Jürgen T. finden die Ermittler Spuren von Wolfhard Lamberti.
16:56Dazu schweigt der Verdächtige.
16:57Es wäre natürlich auch schwer gewesen für ihn, das zu erklären. Er hat gar keine Erklärung abgegeben dazu.
17:06Also ein Geständnis kriegt man ja heute relativ selten. Also aus meiner Sicht war das ein Bild rund, eine optimale Beweislage.
17:13Jürgen T. wird dem Haftrichter vorgeführt und kommt in Untersuchungshaft. Eine Nachricht, auf die Barbara Lamberti lange gewartet hat.
17:24Ja, das war wie Erleichterung pur. Also Gott sei Dank, die lange Suche und die vielen Fragen und die vielen Untersuchungen haben zu einem Erfolg geführt.
17:42Und das war ungeheuer wichtig.
17:44Im September 2020 beginnt der Prozess gegen Jürgen T.
17:50Bislang hat der Angeklagte zu allen Vorwürfen geschwiegen. Auch vor Gericht äußert er sich nicht.
17:58Die Anklage lautete auf, ein bisschen makaber, auf Fahnen ohne Fahnenlaubnis, Freiheitsberaubung, in Tateinheit mit Körperverletzung und Mord.
18:08Rechtsanwalt Volker Gößling hat im Prozess die Angehörigen vertreten. Aus seiner Sicht zeigte der Täter vor Gericht keine Reue.
18:20Der Täter war von einer unglaublichen eises Kälte. Die Empathie habe ich nicht gesehen. Empathie ist ein Fremdwort für ihn.
18:32Insgesamt war der Täter gekennzeichnet durch eine Gefühllosigkeit, die man selten sieht.
18:38Aufgrund von Zeugenaussagen und Beweisen kann rekonstruiert werden, was an jenem 27. Januar 2019 in Zahner-Elster geschehen ist.
18:51Wolfert Lamberti trifft bei seiner Gassirunde auf Jürgen T., der ihm vermutlich dort aufgelauert hat.
18:59Es kommt zu einem Streitgespräch.
19:01Warum hast du mich angezeigt?
19:03In der Folge entführt der Täter den Rentner mit seinem Transporter.
19:13Er hat ihn quasi gekidnappt und ist mit ihm dann zu seinem Hausgrundstück gefahren.
19:19Dort hat er den Herrn Lamberti dann letztendlich eingesperrt in einem Nebengelass und in diesem Nebengelass erheblich maltretiert, misshandelt.
19:37Sippen, Rippen, Serienfrakturen rechts wurden festgestellt.
19:41Eine Rippe links, multiple Hämatome, Gesichtsverletzungen. Das heißt also, er ist schwer misshandelt worden.
19:52Vermutlich hat der Täter sein Opfer gezwungen, Alkohol aus einer Schnapsflasche zu trinken.
19:57Viele Stunden später fährt er den Rentner dann mit seinem Transporter zum Zahnerbach.
20:05Die Füße von Wolfert Lamberti hat er in ein grünes Netz gebunden.
20:08Das ist ja eine kleine Brücke. Wir gehen davon aus, dass er von oben runtergeschoben, runtergeschubst worden ist und dann eben im Bach zu liegen gekommen ist.
20:25Das war ja auch nur 20 Zentimeter hoher Wasserstand, aber dann eben im Kopf im Wasser gelegen hat und dadurch, er muss da zum Beispiel noch gelebt haben, sonst hätten wir in der Lunge kein Wasser gefunden.
20:55Für mich war klar, hier ist ein klarer Mord geschehen. Es ist ein besonders niedriger Beweggrund, weil es ist aus Rache geschehen.
21:11Rache für eine alte Geschichte, die bereits im Jahr 2015 passiert ist.
21:17Auch damals ist Wolfert Lamberti mit seinem Hund auf einer Gassirunde in Zahner unterwegs.
21:22Genau dort, wo also auch 2019 das Zusammentreffen war, hat er einen Wohnwagen auf dem Platz festgestellt.
21:30Herr Lamberti hatte dann die Polizei verständigt, dass da ein Objekt steht, was da nicht hingehört.
21:37Damals weiß der Rentner nicht, dass er damit Jürgen T. in Bedrängnis bringt, der den Wohnanhänger dort abgestellt hat.
21:44Beide kennen sich damals nicht.
21:45Als Jürgen T. den Anhänger wieder abholt, wird er deshalb kurze Zeit später von der Polizei aufgesucht.
21:52Gegen ihn wurde dann ein Ermittlungsverfahren und später noch ein Strafverfahren eingeleitet, wegen Fahnen ohne Fahrlautnis.
22:06Der hat damals eine Freiheitsstrafe bekommen, die auch nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde, weil er schon mehrfach einsteckig vorbestraft war.
22:13Und in diesem Verfahren hat Herr Lamberti im Grunde genommen als Zeuge ausgesagt, was er da an dem Tag gesehen hat.
22:22Bedenken, durch seine Aussage in Gefahr zu geraten, hat Wolfert Lamberti damals nicht.
22:27Denn beim Straftatbestand, Fahren ohne Führerschein, ist im Normalfall ein Zeugenschutz vor Gericht nicht nötig.
22:34Ganz anders ist das beispielsweise bei Fällen mit organisierter Kriminalität.
22:40Da ist höchster Zeugenschutz erforderlich.
22:47Ortswechsel. Berlin.
22:50Hier geschieht 2019 ein Verbrechen von internationaler Tragweite.
22:55Derzeit findet dazu der Gerichtsprozess statt. Mit größtmöglichem Zeugenschutz.
23:00Zur Vorgeschichte. Im Berliner Tiergarten wird ein Mann hinterrücks erschossen.
23:12Zeugen beobachten die Tat und den Killer. Auch als er sein Fahrrad, seine Perücke und die Pistole nach dem Mord in die Spree wirft.
23:30Kurz darauf wird der Täter festgenommen.
23:33Ein Mord, der international für Aufsehen sorgt. Mit diplomatischen Spannungen zwischen Deutschland und Russland.
23:40Hierzulande geht man sogar davon aus, dass der Killer im Auftrag der russischen Regierung gehandelt hat.
23:51Wir sprechen dazu mit dem Anwalt Christian Siegesmund.
23:54Er ist unter anderem Rechtsexperte für Zeugenschutz.
24:01Er weiß, bei Fällen wie diesen hat der Schutz der Prozessbeteiligten oberste Priorität.
24:07Das Delikt, was da in Rede steht, ist jetzt kein Taschendiebstahl oder ein Auffahrunfall,
24:13sondern da geht es tatsächlich um einen heimtückischen Mord, möglicherweise noch mit im internationalen Bereich.
24:18Von daher werden die Ermittlungsbehörden da einiges unternommen haben, den Zeugen zu schützen.
24:25Als im Oktober 2020 der Prozess gegen den Täter in Berlin beginnt, gibt es Hinweise,
24:31dass der Killer jetzt auf der Todesliste russischer Geheimdienste steht.
24:36So muss der Mann selbst im Gefängnis besonders geschützt werden.
24:41Auch für die Zeugen in diesem Prozess gilt der große Zeugenschutz.
24:45Sie bleiben komplett anonym. Zu ihrer Identität wird in der Öffentlichkeit nichts bekannt.
24:54Zurück nach Zahner Elster, zum Fall Wolfhard Lamberti.
25:00Bei Alltagsdelikten greift höchstens der kleine Zeugenschutz.
25:04Der kann allerdings auch im Ausnahmefall nicht ausreichend sein.
25:08Damals hat niemand eine Notwendigkeit gesehen, die Identität des Rentners zu schützen.
25:15Das ist auch das erste Mal in meiner beruflichen Laufbahn, dass es eben so eskaliert ist,
25:26dass der Verurteilte möglicherweise über die ein oder andere Zeugenaussage nicht glücklich ist.
25:31Insbesondere bei Kronzeugen, die ja dann auch in der Regel geschützt werden.
25:34Aber da geht es ja in der Regel auch um ganz andere Straftaten.
25:37Barbara Lamberti hat parallel zum Gerichtsprozess einen Brief an das Justizministerium geschrieben.
25:49Gehört Datenschutz nicht in den Gerichtssaal?
25:53Warum erfährt ein Täter die Daten eines Zeugen?
25:59Warum darf ein Täter den oder die Zeugen im Gerichtssaal sehen?
26:04Im damaligen Antwortschreiben wird eine bevorstehende Verbesserung des Zeugenschutzes angekündigt,
26:11die im Juli 2021 ganz aktuell per Gesetz verabschiedet wurde.
26:19Das ist eine ganz großartige Entwicklung, weil der Schutz des Zeugen durch die Strafprozessordnung eine enorme Ausweitung erfahren hat,
26:28indem man nämlich jetzt dem Zeugen vor die Wahl stellen kann,
26:32entweder seinen Wohnort anzugeben, indem er sagt, ich wohne in Hamburg,
26:36oder aber gar keine Adresse angibt,
26:38oder eine ladungsfähige Adresse über eine offizielle Stelle angibt.
26:42Das schützt den Zeugen in vielerlei Hinsicht,
26:45weil eben nicht mehr in Erfahrung zu bringen ist,
26:48wo er sich konkret persönlich privat befindet,
26:51um dann möglicherweise Bedrohungen durch den Beschuldigten
26:55oder aus dem Umfeld des Beschuldigten ausgesetzt zu sein.
26:58Im Fall des Mordes an Wolfhard Lamberti kommt das leider zu spät.
27:04Mittlerweile ist Jürgen T. für diese Tat zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden.
27:12Es ist ein Fall, der Oberstaatsanwalt Hermann Josef Gerhards im Gedächtnis bleiben wird.
27:17Ich habe schon einige spektakuläre Fälle gehabt,
27:24aber dieser Fall war doch außergewöhnlich.
27:28Außergewöhnlich deshalb, weil wir lange Zeit im Dunkeln getappt haben,
27:34weil wir gehen im Grunde genommen bei Kapitalverbrechen immer davon aus,
27:37dass es sich um eine Beziehungstat handelt.
27:41Letztendlich muss man ja auch hier sagen,
27:43hat es eine Beziehung gegeben aufgrund dieser Gerichtsverhandlung,
27:46aber das hat sich eben nicht aufgedrängt.
27:48Und dass jemand, weil er mal irgendwann Zeuge gewesen ist,
27:54so etwas erleiden muss, ist natürlich nicht nachvollziehbar und ganz, ganz schlimm auch.
27:59Nach 15 Jahren könnte Jürgen T. nach der Verbüßung seiner lebenslangen Haftstrafe
28:06wieder ein freier Mann sein.
28:09Barbara Lamberti und Dorothee Beck haben Sorge, dass ihr Leben dann in Gefahr ist.
28:18Ich habe sehr große Angst vor dem Täter.
28:21Ich habe Angst, 15 Jahre ist nicht viel, der Mann ist dann noch nicht sehr alt.
28:27Er kann, klingt jetzt böse, aber er kann sich ausruhen im Gefängnis,
28:31er kann sich Gedanken machen und wer ist dann der Nächste, wenn er rauskommt.
28:35Weil er so rachsüchtig ist von Natur aus.
28:41Der würde uns alle beobachten, er weiß ja, wo wir wohnen.
28:44Er hat ja durch das Verfahren alle Adressen und alle Namen.
28:50Auch die Zeugen, die gar nichts mit meiner Familie zu tun haben,
28:54die sind genauso dann betroffen.
28:58Die können genauso dann von ihm getötet werden.
29:03Was bleibt, ist der Schmerz über den Verlust des Ehemannes
29:07und die Hoffnung, dass der Täter nach 15 Jahren Haft
29:11keine weiteren Rachegedanken mehr hat.
29:14Was bleibt, ist der Schmerz über den Verlust des Ehemannes
29:29Und das ist der Schmerz über den Verlust des Ehemannes