Der Nationalrat hat am Donnerstag die Möglichkeit geschaffen, dass Nationalratspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ) als Chef des Nationalfonds für NS-Opfer abgelöst wird. Dem von jüdischen Organisationen und Opferverbänden scharf kritisierten Parlamentschef wird auch die Möglichkeit geboten, die Aufgabe an den Zweiten Nationalratspräsidenten oder die Dritte Präsidentin von sich aus abzugeben. Von der FPÖ gab es scharfe Kritik an der "Anlassgesetzgebung".
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NewsTranskript
00:00Der Nationalrat hat am Donnerstag die Möglichkeit geschaffen, dass Nationalratspräsident Walter
00:06Rosenkranz als Chef des Nationalfonds für NS-Opfer abgelöst wird.
00:12Dem von jüdischen Organisationen und Opferverbänden scharf kritisierten FPÖ-Politiker wird auch
00:18die Möglichkeit geboten, die Aufgaben von sich aus an den zweiten Präsidenten oder
00:24die dritte Präsidentin abzugeben.
00:27Von der FPÖ setzt es scharfe Kritik.
00:30Erinnerungskultur, sehr geehrte Damen und Herren, ist für die Opfer des Nationalsozialismus
00:36nicht teilbar, ist nicht bestimmten politischen Parteien vorbehalten, unterliegt keiner politischen
00:43Farbenlehre, muss allen Menschen und politischen Gruppen in diesem Land offenstehen, ist eine
00:49gemeinschaftliche Aufgabe der Republik, das Abgehen von diesem gemeinsamen Verständnis,
00:55die Ausgrenzung einer politischen Partei von diesem Andenken, ist zutiefst antidemokratisch
01:01und ein massiver Anschlag gegen rechtsstaatliche Prinzipien unserer Republik.
01:06Diese Koalition aus den Regenbogenparteien will die Verfassung ändern, um dem Präsidenten
01:11Walter Rosenkranz die Vorsitzführung zu verwehren.
01:15Eine reine Anlassgesetzgebung, sehr geehrte Damen und Herren, unsachlich, ungerecht, durch
01:20und durch ideologisch motiviert.
01:22Die Grünen zeigen sich ob des Beschlusses der ursprünglich von ihnen gestarteten Gesetzesinitiative
01:29zufrieden.
01:30Walter Rosenkranz ist schlagender deutsch-nationaler Burschenschafter Libertas, ausgerechnet jener
01:35Burschenschaft, die in der Monarchie als erste einen ARIA-Paragrafen, einen sogenannten,
01:39eingeführt hat, um Jüdinnen und Juden auszuschließen.
01:42Und es ist an Zynismus kaum zu überbieten, dass Walter Rosenkranz als Nationalratspräsident
01:47dem Nationalfonds vorstehen würde und somit für Entschädigungszahlungen an NS-Opfer
01:52oder für den Gedenkdienst zuständig sein soll.
01:55Wir haben dementsprechend damals, vor fünf Monaten, einen Antrag eingebracht, den wir
02:01heute gemeinsam in leicht abgeänderter Form beschließen werden, und das ist gut so.
02:04Der Antrag sieht vor, dass Walter Rosenkranz der Vorsitz entzogen werden kann.
02:16Er kann ihn auch freiwillig zurücklegen, aber wie zu erwarten war, gibt es trotz wortreicher
02:21Ankündigungen seinerseits bis jetzt keinerlei Hinweise darauf, dass der Präsident diesen
02:26Schritt auch tatsächlich setzen wird.
02:28NEOS und SPÖ verweisen auf die Opferverbände.
02:31Diese Vertretungsmöglichkeit, die wir geschaffen haben, die haben wir ja nicht zuletzt deswegen
02:37auch geschaffen, weil wir den Parlamentspräsidenten Walter Rosenkranz beim Wort genommen haben,
02:42der ja in seiner Antrittsrede gesagt hat, er würde zur Seite treten, wäre bereit zur
02:48Seite zu treten, wenn es Bedenken gegen seine Person gäbe.
02:51Und der Hintergrund für diese Regelung ist ja kein Geheimnis.
02:56Es gibt berechtigte Kritik am Parlamentspräsidenten Walter Rosenkranz, insbesondere auch von den
03:03Opferschutzverbänden.
03:04Wenn jemand Präsident des Nationalrates ist, der bei wesentlichen Opferverbänden einfach
03:12auf Ablehnung stößt, wenn dieser Person Präsident ist und Opferverbände sagen, sie nehmen nicht
03:18an den Sitzungen des Kuratoriums des Nationalfonds teil, dann erachte ich das als wesentliches
03:23Problem.
03:24Man muss sich mal vorstellen, wie eine Kuratoriumssitzung des Nationalfonds denn vonstatten gehen soll,
03:29wenn die israelitische Kultusgemeinde dort nicht hinkommt.
03:31Das pervertiert ja die Aufgaben des Nationalfonds nahezu, wenn genau die, um die es eigentlich
03:36geht, sagen, sie können dabei nicht teilnehmen.
03:41Wolfgang Gerstl von der Volkspartei betonte, man habe das Gespräch mit Rosenkranz gesucht.
03:48Wir sind auf die FPÖ zugegangen, wir haben diesen Schulterschluss versucht, wir sind
03:53auch zum Herrn Präsidenten gegangen und haben mit ihm auch das Gespräch gesucht.
03:58Und sie hätten alle Möglichkeit gehabt, auch einen Alternativvorschlag einzubringen,
04:04auch der Herr Präsident selbst.
04:06Tatsache ist jedoch, dass sie Mitglied der Burschenschaft Olympia sind, die laut Dokumentationsarchiv
04:13des österreichischen Widerstands Verbindungen zum organisierten Neonazismus hat.
04:18Weiters schrieben sie mehrfach für den rechtsextremen Zeitschrift Aula.
04:232009 bezeichneten sie in einem Sammelband mehrere Nationalsozialisten als Leistungsträger,
04:29darunter einen Staatsanwalt, der 1945 über 40 politische Häftlinge erschießen ließ.
04:37In einer Verfassungsbestimmung wird nun festgehalten, dass sich der Nationalratspräsident als Vorsitzender
04:43des Kuratoriums des Nationalfonds auch gesamthaft vertreten lassen kann.
04:49Zudem kann der zweite Nationalratspräsident oder die dritte Präsidentin vom Hauptausschuss
04:55in den Vorsitz gewählt werden.