Viele Opfer des Holocaust wurden nicht im Konzentrationslager ermordet, sondern bei Massenerschießungen außerhalb. Die polnische Organisation Zapomniane will die Erinnerung an den sogenannten "Dispersed Holocaust" wachhalten.
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NewsTranskript
00:00Dieser Wald nördlich von Warschau birgt ein Geheimnis. Ein wenig bekanntes Kapitel des Holocaust.
00:10Der Brite Michael Zev Gordon hat erst vor kurzem erfahren, dass sein Großvater von den Nazis hier ermordet wurde.
00:20Ich kam im September 2022 mit meinen zwei Söhnen in diesen außergewöhnlich stillen Wald.
00:33Ich wollte etwas über meinen Großvater herausfinden, der hier im Sommer 1941 erschossen wurde.
00:41Eine Geschichte, über die ich nichts wusste, weil meine Familie nie darüber gesprochen hat.
00:50Salman Gorodetsky, Gordons Großvater, gehört zu den etwa 1500 Jüdinnen und Juden,
00:56die nahe dem polnischen Dorf Sumowo von den deutschen Besatzern erschossen und in Massengräbern verscharrt wurden.
01:03Er ist eines der Opfer des sogenannten Holocaust durch Kugeln.
01:08Im Sommer 1941 überfiel Nazi-Deutschland die Sowjetunion.
01:13In den besetzten Gebieten begannen deutsche Sondereinheiten nach kurzer Zeit,
01:18jüdische Männer, Frauen und Kinder systematisch zu erschießen.
01:23Mehr als 1,5 Millionen Jüdinnen und Juden kamen durch diese Massenhinrichtungen ums Leben.
01:32Man geht davon aus, dass ungefähr ein Viertel aller Holocaust-Opfer in Massenerschießungen ums Leben kamen.
01:42Und zwar nicht in Konzentrations- oder Vernichtungslagern, sondern in den Orten oder in der Nähe der Ortschaften, wo sie wohnten.
01:54In vielen Fällen geschahen diese Morde vor den Augen oder zumindest in Höhrweite der lokalen Bevölkerung.
02:01Und trotzdem sind noch viele Details der Massenerschießungen nicht bekannt.
02:08Das Deutsche Historische Institut in Warschau führt ein Projekt durch,
02:12in dem die einzelnen Tatorte sowie deren Nachkriegsgeschichte erforscht werden.
02:18Es gibt leider ganz viele Orte, die überhaupt nicht erinnert werden, wo die Massengräber noch nicht mal identifiziert wurden.
02:28Aber dort, wo sie identifiziert wurden, wo der Ort bekannt ist, wo es vielleicht ein Denkmal oder eine Gedenktafel gibt,
02:38sprechen wir vor allem über lokale Erinnerungen.
02:42Eine dieser Initiativen half auch Michael Seth-Gordon dabei, die letzte Ruhestätte seines Großvaters zu finden.
02:50Dank der polnischen Organisation Zapomniane, auf Deutsch vergessen, erinnert heute ein Gedenkstein an das Massaker von 1941.
03:06Die NGO hat bereits hunderte Massengräber des Holocaust lokalisiert und gesichert.
03:12Wir müssen uns an die jüdischen Bestattungsgebote halten. Das bedeutet, dass wir keine traditionelle Archäologie anwenden können.
03:21Wir dürfen die Gräber nicht öffnen, keine Knochen ausgraben. Wir können nur sogenannte nicht-invasive Archäologie anwenden.
03:31Mithilfe eines Bodenradars und anderer Techniken lokalisiert Zapomniane die Gräber.
03:36Es folgen die Gedenkarbeit und die Analyse, oft in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Historischen Institut.
03:42Dabei setzt die Organisation auch auf die Erinnerungen der lokalen Bevölkerung, die von Beginn an in den Prozess einbezogen wird.
03:51Unsere Geschichten sind sehr persönlich. Sie sind persönlich für uns, und sie sind auch persönlich für die lokalen Gemeinden.
03:57Wir treffen immer noch Menschen, deren Großeltern sich an diese Juden erinnern, deren Großeltern mit ihnen auf der gleichen Schulbank saßen.
04:04Wir träumen davon, dass diese Orte auch ein Teil der jüdischen Bevölkerung sind.
04:11Für Michael Zew-Gordon war die Reise nach Polen vor drei Jahren der Beginn einer tiefgehenden persönlichen Auseinandersetzung.
04:18Eine Auseinandersetzung, die uns in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer stärker geändert hat.
04:26Es war eine Auseinandersetzung, die uns in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer stärker geändert hat.
04:34In den letzten 18 Monaten habe ich ein Musikstück geschrieben mit dem Titel »A Kind of Haunting«.
04:41Darin versuche ich, diese Dinge zu verarbeiten, besonders die Erinnerungen, die von Schweigen umgeben waren.
04:48Ich versuche, diese Dinge zu verarbeiten, besonders die Erinnerungen, die von Schweigen umgeben waren.
04:53Ich versuche, diese Dinge zu verarbeiten, besonders die Erinnerungen, die von Schweigen umgeben waren.
04:58Indem ich hier bin, indem ich die Verbindung zu diesem Ort herstelle, wird das alles möglich.
05:04Für mich ist es notwendig, dies an die nächste Generation weiterzugeben.
05:11Ich bin sein Enkelkind. Ich kann es an meine Kinder weitergeben.
05:17So lebt seine Geschichte weiter. Er ist nicht vergessen.
05:22Er ist nicht vergessen.
05:52Er ist nicht vergessen.